Tochter aus gutem Hause
"Memoiren einer Tochter aus gutem Hause" nennt Simone de Beauvoir den Erinnerungsband über ihre Kindheit und Jugend. Sie wächst in bürgerlichen Verhältnissen auf - und rebelliert dagegen. Das
eigensinnige und wissbegierige Mädchen fühlt sich eingeschränkt: Zu wenig will man den höheren Töchtern beibringen.
"Ich hatte nur ein Leben zu leben, ich wollte, dass es ein Erfolg würde, niemand sollte mich daran hindern ... ". Bei der Wahl des Studienfaches setzt sie sich gegen ihre Eltern durch und
studiert Philosophie. 1929 lernt sie den Kommilitonen Jean-Paul Sartre kennen. Er ist überzeugt von seinen Fähigkeiten - und Beauvoir ist beeindruckt von dem jungen Philosophen. Sartre scheint sie
ebenso zu bewundern. Der intensive intellektuelle Austausch und die private Beziehung, die die beiden ein Leben lang verbinden werden, beginnen.
"Ich liebe Sie leidenschaftlich"
Sartre und Beauvoir wollen keine "gewöhnliche", bürgerliche Beziehung führen: kein gemeinsames Leben unter einem Dach, keine Treueschwüre. Sie wollen einander alle Freiheiten lassen, ohne
sich dabei aus den Augen zu verlieren. So sind die beiden Philosophen immer wieder in Affären und Beziehungen verstrickt, oder verbringen längere Zeit im Ausland. Auch wenn es nicht immer ohne
Eifersucht geht - ihre Beziehung hat Bestand.
Sie werden einander zeitlebens siezen: "Sie sind mein ganzes Leben, das ich bei meiner Rückkehr wieder finden werde. Ich liebe Sie leidenschaftlich", schreibt Sartre an Beauvoir, die er
"Castor" - Biber - nennt. Sie liest all seine Werke vor der Veröffentlichung, ist seine wichtigste Lektorin und Kritikerin.
Schriftstellerischer Erfolg
Die 23-jährige Beauvoir beginnt Philosophie zu unterrichten. Sie ist zwar überzeugt davon Schriftstellerin zu sein, und arbeitet auf dieses Ziel hin - zunächst muss sie allerdings Erfahrungen
sammeln. Ihre Karriere kommt langsamer in Gang als jene Sartres. 1943 ist es soweit: Ihr erster Roman "L'invitée" ("Sie kam und blieb") wird veröffentlicht. Wie in all ihren Romanen ist Beauvoir in
ihren Charakteren unschwer zu erkennen.
Bereits ihr erstes Buch ist ein Erfolg - viele weitere folgen. Aber trotz ihres eigenen schriftstellerischen Talents und ihres eigenständigen Denkens wird sie vielfach lediglich als Sartres
Schatten gesehen.
"Diese Welt ist eine Männerwelt"
Beauvoir beschließt, die Lebensbedingungen von Frauen - durch die Jahrhunderte hindurch - zu untersuchen. "Diese Welt ist eine Männerwelt, meine Jugend wurde mit Mythen gespeist, die von
Männern erfunden worden waren, und ich hatte keineswegs so darauf reagiert, als wenn ich ein Junge gewesen wäre", schreibt sie.
"Das andere Geschlecht" heißt ihre Analyse über die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Sie erscheint 1949 in zwei Bänden und ist ein Erfolg - wenn auch ein skandalöser. So setzt der Vatikan
das Werk sofort auf den Index der verbotenen Bücher. Beauvoir nimmt die Anfeindungen gelassen. Sie hat ihr wichtiges Vorhaben umgesetzt. Damit hat sie allen Grund zufrieden zu sein, die moralischen
Bedenken irritieren sie wenig. Darüber hinaus bekommt sie auch begeisterte Reaktionen auf ihr Buch.
Für die Emanzipation der Frau hat Simone de Beauvoir einen Stein ins Rollen gebracht. Bis heute gilt sie als Vorreiterin. In den Siebzigern engagiert sie sich aktiv in der Frauenbewegung.
Ein zielstrebiger Weg
Leben und Werk Beauvoirs sind eng verbunden. So bemüht sich Ingeborg Gleichauf um eine umfassende Darstellung des Werdegangs der komplexen Persönlichkeit. Sie präsentiert die Philosophin als
starke Frau, die an ihren Entschlüssen festhält und ihre Ziele verfolgt - auch wenn das bisweilen schwer fällt. So hält Beauvoir trotz Eifersucht an der Vereinbarung mit Sartre fest. Ihre Gedanken
bringt sie zu Papier - auch wenn sie dafür, wie etwa im Fall von "Das andere Geschlecht", harte Kritik einstecken muss.
Bisweilen ist Gleichauf zu sehr um Erklärungen für einzelne Handlungen bemüht. Nichts desto trotz, macht ihr zitatenreiches Porträt eine der spannendsten Frauenfiguren des letzten
Jahrhunderts greifbar. Bleibt zu hoffen, dass es der Autorin gelingt, mit "Sein wie keine andere" zahlreiche junge Leser auf das Werk von Simone de Beauvoir aufmerksam zu machen.
Birgit Güll
Ingeborg Gleichauf: "Sein wie keine andere. Simone de Beauvoir. Schriftstellerin und Philosophin." Deutscher Taschenbuch Verlag, 2007, 298 Seiten, 8,95 Euro, ISBN 978-3-423-62324-7
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