Kultur

Holocaust-Gedenken: „Rechten muss der Weg für alle Zeit blockiert bleiben“

„Schuhe, Steine, Ich – Reflexionen aus Auschwitz“ lautet der Titel einer neuen Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Bei der Eröffnung am Mittwoch Abend betonte SPD-Chef Sigmar Gabriel, wie wichtig die Erinnerung an die Gräuel der Nazis ist. Nur sie könne helfen, ähnliches künftig zu verhindern.
von Peter Schraeder · 26. Januar 2017
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Sigmar Gabriel hat gemeinsam mit dem Holocaust-Überlebenden Felix Kolmer eine neue Ausstellung zum Thema Auschwitz in der der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin eröffnet. Der SPD-Vorsitzende betonte, wie wichtig das Erinnern gegenwärtig sei.

Dass Gabriel die Ausstellung tatsächlich eröffnen würde, war nicht selbstverständlich, schließlich hatte er nur einen Tag zuvor erklärt, auf die SPD-Kanzlerkandidatur zu verzichten. Christoph Heubner, der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, dankte Gabriel daher ausdrücklich für sein Erscheinen. Gabriel winkte mit einem Augenzwinkern ab: „So dramatisch ist das alle nicht, jetzt habe ich ja mehr Zeit.“

Rechtspopulisten den Weg versperren

Der Noch-SPD-Vorsitzende verurteilte die Äußerung Björn Höckes aus der vergangenen Woche. „Zum ersten Mal seit langem wird die Legitimität des Gedenkens infrage gestellt“, kritisierte Gabriel. Der AfD-Mann Höcke hatte das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Gabriel wertet dies als Ankündigung eines neuen Kulturkampfes. Allerdings habe es bereits in den den 70er und 80er Jahren den Versuch gegeben, die Schuld aus der NS-Zeit zu leugnen. Auch von seinem Vater, bis zu seinem Tod ein überzeugter Nazi, habe Gabriel ständig rechte Parolen gehört: „Nichts davon ist neu.“

Seine erste Reise nach Auschwitz sei daher eine der beeindruckendsten seines Lebens gewesen, sagte Gabriel. Die Aufarbeitung der deutschen Geschichte sei nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil sie die Voraussetzung für die Anerkennung Deutschlands in der Welt gewesen sei. Gabriel ist sich sicher: 85 bis 90 Prozent der Deutschen seien noch immer keine „Schreihälse“, die mit rechtem Gedankengut sympathisieren. Die wenigen Rechtspopulisten dürften nicht ins Zentrum der Gesellschaft rücken. „Diesen Weg müssen wir für alle Zeiten blockieren.“

Angst vor Ignoranz der Menschen

Der Auschwitz-Überlebende Felix Kolmer sprach von den Gedanken, die er als Jugendlicher in Gefangenschaft der Nationalsozialisten hatte: „Ich glaubte an die Überlegenheit der Gerechtigkeit.“ Auch nach dem Krieg habe er die Täter nicht hassen wollen, zuhören wollte ihm dennoch niemand. Die Ignoranz, die ihm und anderen Überlebenden vonseiten der Deutschen nach dem Krieg entgegengebracht worden sei, habe Jahrzehnte angehalten.

Heute habe er Angst, dass die Menschen die Botschaft der Überlebenden nicht ernst nähmen, sagte der 94-Jährige. „Wir reden nicht, um uns wichtig zu machen.“ Die NS-Verfolgten seien der Welt egal gewesen. Doch Kolmer wolle „nie mehr in einer Welt leben, in der Menschen andere Menschen egal sind“.

Auschwitz-Ausstellung von Jugendlichen

Sowohl Sigmar Gabriel als auch Felix Kolmer betonten in ihren Ansprachen die große Hoffnung, dass sich junge Menschen intensiv mit den Verbrechen der NS-Zeit auseinandersetzen. Denn an der neuen Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand haben zahlreiche Jugendliche aus Polen und Deutschland mitgearbeitet, die im vergangenen Sommer in der Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz zu Gast waren. Dort sprachen sie mit Überlebenden des Holocausts und halfen dabei, die Gedenkstätte zu erhalten.

Aus diesen Erfahrungen entstand auch der Titel der Ausstellung: „Schuhe, Steine, Ich – Reflexionen aus Auschwitz“. Die Schuhe, die die Nazis den Juden abnahmen und die noch heute in Auschwitz zu sehen sind, müssen aufwändig konserviert werden. Die Jugendlichen berichten in der Ausstellung über diese Arbeit und erzählen, welche tiefen Eindrücke sie in dem ehemaligen KZ gewonnen haben. Außerdem zeigt die Ausstellung auch einige Biografien Holocaustüberlebender – wie die von Felix Kolmer.

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Autor*in
Peter Schraeder

studiert Public History an der Fu Berlin.

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