Kultur

Heinrich Harrer – ein österreichischer Nationalheld mit „brauner“ Vergangenheit

von ohne Autor · 10. Juli 2007

Gerald Lehner nutzte die Hollywood Verfilmung "Sieben Jahre in Tibet" mit Brad Pitt aus dem Jahr 1997 als Anlass für seine Recherchen über Heinrich Harrers Vergangenheit. Er fand heraus, dass Harrer bereits seit 1933 Mitlied in der verbotenen österreichischen SA war und 1938 auch der SS und NSDAP beitrat. Nachdem der Alpinist mit den damals von ihm selbst unterzeichneten Dokumenten konfrontiert wurde, bestritt er vehement seine Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen. In seiner 2002 veröffentlichten Autobiographie "Mein Leben" erwähnte Harrer kaum seine Verstrickungen mit der NS-Zeit. Auf verharmlosende Weise sah er sich darin vielmehr als Opfer einer Kampagne, die sich gegen die von ihm unterstützte tibetische Unabhängigkeitsbewegung richten sollte.

Harrer und der Nationalsozialismus

Harrer und seinen Kollegen gelang 1938 die Erstbesteigung der Eiger-Nordwand. Was für die einen ein "sportlicher" Erfolg war, war für die nationalsozialistische Propaganda ein Triumph. Ein Jahr später nahm Harrer - auf Wunsch Heinrich Himmlers - an der Nanga-Parbat-Expedition der Deutschen Himalaya Stiftung, der weitere alpinistische Höhepunkte folgen sollten. Aber der Beginn des Zweiten Weltkriegs unterbrach die Pläne: In Indien wurde die Expedition gestoppt und die Teilnehmer von den Briten interniert. Nach gelungener Flucht gelangte Harrer 1944 nach Tibet und schließlich an den Hof des Dalai Lama. Nachdem Harrer 1951 nach Österrreich zurückgekehrt war, verband ihn zeitlebens eine tiefe Freundschaft mit dem tibetischen Staatsoberhaupt.



Expedition im neuen Licht


Lehner dokumentiert ausführlich seine Rechercheergebnisse und versucht darüber hinaus, Harrers Vergangenheit im Kontext des Nationalsozialismus darzustellen. Auf diese Weise erscheint beispielsweise die Expedition von 1939 in einem völlig neuen Licht. Tibet stellte damals für die Anthropologen des deutschen "Ahnenerbes" ein umfassendes Forschungsfeld dar: Man wollte mit pseudowissenschaftlichen Mitteln die Verwandtschaft zwischen Tibetern und der "nordischen Rasse" beweisen. Ein Fakt, den Harrer gern aus seinen Erinnerungen gestrichen hätte.

Auch die Tatsache, dass im "Haus der Natur" - einem der größten und wichtigsten naturwissenschaftlichen Museen in Europa - dem Besucher bis in die 90er Jahre Exponate von dieser Expedition unkommentiert über Herkunft und Zweck präsentiert wurden, zeigt den geschönten Umgang mit diesem Thema.

Demontage eines Idols

Lehner löste schon mit seinen Aktenfunden vor zehn Jahren einen internationalen Presserummel aus; selbst das Drehbuch für den Film "Sieben Jahre in Tibet" wurde daraufhin geändert. In Lehners Buch ist nun erstmalig das nachzulesen, was der Autor über die Zeit hinweg akribisch erforscht und zusammen getragen hat.

An sich sind die Fakten nicht neu, aber die Gegenüberstellung der Presseechos ergibt ein spannendes Bild: trotz aller Enthüllungen wurde Harrer vom größten Teil der österreichischen Medienlandschaft weiterhin als Idol stilisiert. Als Harrer dann 2006 im Alter von 93 Jahren verstarb, wurde auch in den meisten Nachrufen seine Vergangenheit nicht im geringsten erwähnt.

Lehner schreibt in seinem Vorwort: "Ich habe Jagd gemacht" auf Harrer und den Hollywood Film. Er statuiert ein Exempel könnte man sagen, denn Heinrich Harrer galt lange als großes Idol für Abenteurer und Tibetbegeisterte. Die unzureichende Vergangenheitsbewältigung in Österreich und lückenhafte Erinnerungskultur wird hier einmal beim Namen genannt. Nicht nur Harrers NS-Vergangenheit macht Lehner zum "Jäger", sondern die verweigerte Stellungnahme bzw. Schönfärberei des berühmten Alpinisten gibt Anlass zu Kritik.

Gerald Lehner, Jahrgang 1963, lebt und arbeitet in Österreich als Journalist und Redakteur. Sein Buch "Zwischen Hitler und Himalaya" ist überaus spannend zu lesen. Jedoch leidet es an einigen Stellen an seiner Detailfreudigkeit und an vielen z.T. inhaltlichen Wiederholungen. Insgesamt jedoch ist es empfehlenswert und sehr informativ.

Edda Neumann

Gerald Lehner: Zwischen Hitler und Himalaya. Die Gedächtnislücken des Heinrich Harrer, Czernim Verlag, 2007, 24,40 Euro, 313 Seiten, ISBN-13: 978-3707602166

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