Kultur

Heilsamer Wald

von Dagmar Günther · 13. April 2011
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Fukushima ist in aller Munde und außer Kontrolle geratene Atomkraft leider nicht die einzige von Menschen verursachte Katastrophe. Auch Brandrodung und unkontrollierter Abbau des Regenwaldes führen zur Umweltkatastrophe. Und dabei geht es nicht nur um die Klimastabilisierung sondern auch um den Verlust von Heilmitteln.

Nachwachsendes Vermögen

Seit Menschengedenken kultivieren die in den Regenwäldern lebenden indigenen Völker Medizinalpflanzen. Mancher Häuptling ist in der Lage, bis zu 650 Pflanzen zu identifizieren und zu nutzen. Das sagt der Ethnobotaniker Darrell Addison Posey (1947-2006) z.B. auch dem Anführer des in Zentralbrasilien beheimateten Kayapóstammes nach. Und der sieht deshalb auch nicht Holz und Bodenschätze, die "endlich" seien und "deren Ausbeutung Zerstörung" bringe als "Vermögen" an, "sondern die nachwachsenden Heilpflanzen, die man im Wald findet".

Wertvolle Schätze

Eindrucksvoll beschreibt Andrea Flemmer, welche Schätze in den weitgehend noch unerforschten Tiefland-Regenwäldern (bis 800 Meter Höhe), Berg-Regenwäldern (bis 1500 Meter) und Nebelwäldern (jenseits von 2000 Metern) schlummern. Schon jetzt liefern sie wertvolle Substanzen von A wie Abszessbehandlung bis Z wie Zahnpflege. Das National Cancer Institut in Bethesda (USA) nennt für 70 Prozent der potenziell gegen Krebs wirksamen Pflanzen den tropischen Regenwald als Herkunftsort. "Derzeit sind weniger als 2% der tropischen Arten auf ihre Bedeutung für die Ernährung und medizinische Wirksamkeit untersucht. Dennoch wurden aus dieser geringen Anzahl über 7000 Arzneien entwickelt", schreibt Flemmer. "Das entspricht etwa einem Viertel unserer heutigen Medikamente."

Die Autorin stellt Nutzpflanzen vor, die zugleich medizinische Wirkung haben, z.B. Ananas und Papaya. Viel umfangreicher ist jedoch die Zahl der von den Schamanen genutzten Heilpflanzen: Sie reichen von der Afrikanischen Pflaume über Katzenkrallendorn bis zu Yahuati Caspi (Schildkrötenbaum). Andrea Flemmer benennt deren Wirkung, weist auf Nebenwirkungen hin und verrät traditionelle Rezepte.

Weltartenerbe Regenwald

Wer das gelesen hat, dem wird klar, welch unendlicher Heilquelle sich der Mensch beraubt, wenn er den Regenwald vernichtet. Flemmer plädiert dafür, diesen zum "Weltartenerbe" zu erklären. Artenreichtum sei "eine mögliche Quelle für unschätzbaren materiellen Reichtum in Form von Nahrung, Arzneimitteln und sonstigen Annehmlichkeiten", biologische Vielfalt der "Schlüssel des Lebens".

Am Ende des Buches nennt die Autorin einige Initiativen, die versuchen den Menschen eine nachhaltige Nutzung der Naturgüter zu ermöglichen. Sie macht noch einmal die Rechnung auf, warum die Bewahrung des Regenwaldes langfristig - auch ökonomisch - mehr Gewinn bringt als sein kurzfristiges Abholzen! Und befindet sich damit im Einklang mit so manchem Stammeshäuptling.

Andrea Flemmer: Apotheke Regenwald, Verlag naturaViva, 176 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-935407-15-1

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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