Werden die Kulturen der Welt unweigerlich aufeinander prallen? Lösen sie solche Konflikte aus, wie Professor Samuel P. Huntington sie in seinen Thesen beschrieb? Seine Thesen gingen aus einem
Essay hervor. Er entwickelte sein Schriftstück lediglich weiter. Eine wissenschaftliche Arbeit ist es genau genommen also nicht. Dennoch erregt es die Gemüter bis heute. Ob Huntington nicht doch
richtig liegt, fragt sich mancher. Diese Frage motivierte Dr. Aurel Croissant zu einer Studie, in welcher er die Konflikte von 1945 bis 2007 untersuchte. Darüber hinaus regten ihn der unklare
Kulturbegriff und die methodischen Defizite bei Huntingtons Arbeit an, dessen Thesen zu untersuchen und zu hinterfragen.
Was sind kulturelle Konflikte?
Zunächst, führte Dr. AurelCroissant aus, könne man annehmen, dass der amerikanische Professor Recht habe. Man denke nur an die Mohammed-Karrikaturen, die Regensburger Rede des Papstes und
an den Irak-Krieg.
Ein kultureller Konflikt könne Kultur zum Thema haben, erklärte er. Diese müsse aber nicht die wahre Ursache sein. Also untersuchte er alle Auseinandersetzungen, in welchen Kultur das Thema
war. Unabhängig davon, ob sie der wahre Auslöser sei oder nicht. Unter Kultur verstehe er in diesem Zusammenhang die Sprache, die Religion und die Historie.
Was besagt die Studie?
Kulturelle Konflikte sind seit 1945 stetig angestiegen, respektive Auseinandersetzungen, die Kultur zum Thema hatten. Diese Unterscheidung war ihm wichtig. Die These von Huntington konnte
Croissant gleich zu Beginn entkräfteen, denn 86 Prozent der Konflikte hätten innerhalb der Gesellschaft statt und nicht zwischen Saaten stattgefunden. Allerdings seien 44 von 100 Konflikten
kulturell bedingt.
"Es spielen jedoch eine Reihe von weiteren Faktoren eine größere Rolle. Die Demographie und die wirtschaftliche Situation sind zum Beispiel die stärksten Faktoren, welche den Ausbruch eines
Konflikts wahrscheinlich machen. Wenn es ganz viele junge Männer gibt, aber nur wenige Frauen und keine Arbeit, so ist das eine explosive Mischung", erklärte Dr. Aurel Croissant.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konflikt ausbricht, der tatsächlich kulturell bedingt ist, liege bei 33 Prozent. Individuelle Ursachen und wirtschaftliche Gründe, so Croissant, tragen zu
27, respektive 22 Prozent bei.
Ist Multikulti eine Gefahr?
Normalerweise verhält es sich so, dass die Gefahr von den "äußeren Rändern" her droht. Die Studie ergab allerdings, dass eine sehr heterogene oder eine sehr homogene Gesellschaft eher
friedlich sind. Währenddessen es in einer Nation, die eine starke homogene und (!) heterogene Gruppe besitzt, eher zu Gewaltausbrüchen kommt. Dr. Aurel Croissant bezeichnete das als einen nicht
linearen Verlauf. Migration wirke bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen in den meisten Fällen sogar eher abmildernd. Auf zwischenstaatliche Konflikte wirke er allerdings Gewalt fördernd. Dr.
Croissant betonte in diesem Zusammenhang, dass es sich hierbei um Wahrscheinlichkeiten handele und nicht um Automatismus oder Zwangsläufigkeit.
Die Thesen von Samuel P. Huntington konnte Dr. Aurel Croissant mit empirischen Daten widerlegen. Da Themen wie "Kultur als Konfliktherd" auch für Deutschland interessant sind, wirkte es
beruhigend, dass Croissant in der Vielzahl von Religionen und Kulturen keinen destabilisierenden Faktor ausmachte. Ganz im Gegenteil.
Sicherlich muss in unserem Staat noch viel für ein wirklich friedliches Zusammenleben getan werden. Hier sollten wir unter anderem auf Bildung und die Kraft des Dialoges der Kulturen
setzen. Dann wird es auch keinen "Clash of Civilizations" geben.
Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlin, Lala Süsskind, fand einleitende Worte. Foto: Köcher
Ich studiere Kulturwissenschaften an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit den Schwerpunkten Kulturgeschichte und Sozialwissenschaften. Ich lerne dort ebenfalls Englisch und Spanisch. In meiner Freizeit bin ich "ganz normal" wie andere auch: Ich spiele Fußball, gehe gerne weg oder verbringe Zeit mit meinen Freunden.