Die sogenannte Entnazifizierung war der Versuch, alle nicht nur nominellen Nationalsozialisten aus ihren früheren Funktionen zu entfernen und diejenigen, die sich schuldig gemacht hatten, mit
entsprechenden Sühnemaßnahmen zu belegen. In der US-Besatzungszone sollte zu diesem Zweck nach einem im Frühjahr 1946 auf Anordnung der Besatzungsmacht von den Ministerpräsidenten erlassenen Gesetz
verfahren werden. Dieser Versuch ist damals gescheitert. Und zwar insbesondere deshalb, weil die Unterscheidung zwischen Mitläufern, Minderbelasteten, Belasteten und Hauptschuldigen - so lauteten
die Bezeichnungen der verschiedenen Einstufungs-Gruppen - in der Praxis nicht durchgesetzt werden konnte und auch die Aufklärung der jeweiligen persönlichen Umstände auf große Schwierigkeiten
stieß.
Die Biographie des Sozialdemokraten Gottlob Kamm, der von 1946 bis 1948 in Württemberg-Baden - das vereinigte Baden-Württemberg gab es erst ab 1951 - als Entnazifizierungsminister amtierte,
lässt die ganze Problematik anschaulich werden. Gottlob Kamm erscheint dabei als kraftvolle Persönlichkeit, die ihr Amt ernst nahm und dabei auch Konflikte mit der Besatzungsmacht nicht scheute.
Nicht selten stand er vor dem Zwiespalt zwischen dem strengen Vollzug des Gesetzes einerseits und den Anforderungen des Wiederaufbaus andererseits, bei dem man auch auf ausgesprochene
Nationalsozialisten nicht verzichten wollte oder konnte.
Geschildert wird der gesamte Lebensweg dieses aufrechten Demokraten, sein Engagement gegen das heraufziehende Unheil in der Weimarer Zeit, sein Widerstand und die Verfolgung, die er nach 1933
erlitt, und sein Einsatz für die Schaffung belastbarer demokratischer Strukturen nach 1945. Bei dem einen der beiden Autoren, nämlich Berthold Kamm, handelt es sich um den Sohn des Dargestellten.
Berthold Kamm, der kürzlich seinen 80. Geburtstag feiern konnte, hat selbst wichtige öffentliche Funktionen bekleidet. Das gibt dem Text eine persönliche Nähe, schärft aber auch das Urteil über die
Herausforderungen, denen sich Gottlob Kamm gestellt hat.
Gerade die Jüngeren sollten das Buch zur Hand nehmen. Sie wissen dann mehr über die harten Proben, die eine frühere Generation von Sozialdemokraten zu bestehen hatte.
Bertold Kamm / Wolfgang Mayer: Der Befreiungs-minister, Silberburg Verlag, Tübingen 2005, 250 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 3-87407-655-5
0
Kommentare
Noch keine Kommentare