Kultur

Gesichter eines Landes

von Vera Rosigkeit · 14. März 2008
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Der Kopfstand des grauhaarigen Mannes ist weltberühmt: Israels Staatsgründer David Ben Gurion in Badehose am Strand, hinter ihm Schaumkronen auf dem Meer und blauer Himmel. In Israel kennt jedes Kind das Bild, es hat hohe Symbolkraft, zumal von Ben Gurion der Ausspruch stammt: "Ich muss auf dem Kopf stehen, damit der Staat Israel auf den Füßen stehen kann."

Umso erstaunlicher, dass der Urheber dieses Bildes jahrzehntelang in der Versenkung verschwunden war. Paul Goldmann heißt der Fotograf, der nicht nur Ben Gurion am Strand beobachtete, sondern von 1943 bis 1961 den entstehenden Staat Israel mit der Kamera dokumentierte. Der 1900 in Budapest geborene Goldmann arbeitete als Pressefotograf, unter anderem für das Magazin Life und die renommierte Agentur Magnum. Ein Augenleiden, das bis zum Erblinden führte, beendete die Arbeit Goldmanns. Er zog sich zurück und starb schließlich 1986 in großer Armut. Sein Werk war vergessen.

Mehr als zehn Jahre nach seinem Tod stöbert ein anderer Fotograf auf dem Dachboden der Familie Goldmann. Er sucht das Negativ des berühmten Kopfstand-Bildes - und findet einen ganzen Schatz an Bildern. David Rubinger ist der Name des Schatzsuchers und in gewisser Weise bewegte er sich schon lange auf Goldmanns Spuren. Denn auch Rubinger fotografierte die vielen Facetten Israels.

Nun sind Fotografien beider Bildermacher in einer Ausstellung zu sehen, die bereits um die Welt tourte. Nach Israel, Singapur, Bangkok, New York und Riga ist sie im Willy-Brandt-Haus in Berlin angelangt: "60 Jahre Pressefotografie aus Israel - Paul Goldmann und David Rubinger".

Der Name ist Programm: Die Schau dokumentiert Israel. Seine Politiker, seine Bewohner, seine Konflikte, seinen Alltag. Über sechs Jahrzehnte. Goldmann und Rubinger haben gemein, dass sie sich nie auf ein Sujet beschränkten. Hochrangige Politiker sind in entscheidenden Situationen zu sehen - etwa Premierministerin Golda Meir auf dem Höhepunkt ihrer Macht sowie am Tag ihrer Abwahl - und in Momenten der Entspannung, etwa David Ben Gurion mit angezogenen Beinen in einem Ohrensessel. Die Bevölkerung Israels ist abgebildet: Flüchtlinge, die nach dem zweiten Weltkrieg und dem Horror des Holocaust entronnen eine Zukunft in einem neuen Staat suchten. Kinder, Männer, Frauen, mit Furchen im Gesicht oder spielend. Soldaten, auf Panzern, vor der Klagemauer. Menschen die in Siedlungen leben, deren Stacheldrahtbegrenzung Alltag sind.

"60 Jahre Pressefotografie aus Israel" zeigt auf wunderbare Weise die Vielfalt dieses Landes, das Hoffnung und Krieg gleichermaßen prägen und indem doch auch Platz für Alltägliches ist.

Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28, 10963 Berlin, bis 20. April 2008, Dienstag bis Sonntag, 12 bis 18 Uhr, Eintritt frei, Ausweis erforderlich

Von Yvonne Holl

Foto: Paul Goldman, Premierminister Ben-Gurion am Strand, © Sammlung Spencer M. Partrich

Mehr Infos: www.willy-brandt-haus.de/cms/beitrag/1001755/111900/

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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