Kultur

Gesellschaft im Umbruch

von Die Redaktion · 22. April 2008
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Westberlin war aufgrund seiner besonderen Lage 1968 ein wichtiges Zentrum für die neuen experimentellen Lebensweisen junger Menschen. Die Proteste - meistens von Studenten - richteten sich vor allem gegen den Vietnam-Krieg. Sie forderten auch, ehemalige Nazi-Größen, die wieder bequem in ihre alten Positionen zurückgekehrt sind, konsequent zu verfolgen.

Die Verdienste der ´68er liegen rückblickend im zwischenmenschlichen Bereich: mehr Rechte für Frauen, ein respektvollerer Umgang mit Kindern, Alten und Kranken. Aber auch in Schule, Ausbildung und Studium wurde reformiert.

40 Jahre danach

Zum runden Jubiläum organisiert die Akademie der Künste ein umfangreiches Programm: "Kunst und Revolte". Eine der ersten Veranstaltungen war das 19. Akademie-Gespräch zum Thema "Gesellschaft im Umbruch". Die kulturellen und gesellschaftlichen Folgen von ´68 werden immer noch sehr verschieden interpretiert. Die Betrachtungsweise hängt bekanntlich auch vom Betrachter ab. So diskutierten Zeitzeugen und Spätgeborene über diese Zeit und die Konsequenzen.

´68er kontrovers

Helke Sander, Regisseurin, bezeichnete sich selbst als "Enthusiastin für die Studentenbewegung". Mit ihrem Film "Brecht die Macht der Manipulateure" wollte sie, angesichts der Hetze der Berliner Presse gegen die Studenten, für Aufklärung sorgen.

Klaus Schütz, ehemaliger Regierender Bürgermeister von Westberlin und Botschafter der BRD in Israel, erklärte hingegen, er sehe im Nachgang der ´68er vorwiegend die Bildung von "Mythen und Legenden". Dazu rechnet er zum Beispiel auch die Emanzipation der Frau. ´68 bringe alle 10 Jahre die gleichen Diskussionen hervor, so Schütz etwas provokant in seinem Statement.

Johano Strasser, Präsident des P. E. N.-Zentrums Deutschland, sieht in der Reduzierung der ´68er nur auf den Protest gegen den Vietnam-Krieg und auf einen Generationskonflikt eine Gefahr. Letzteres würde die Bewegung entpolitisieren. Gerade der autoritäre Impuls sei für 68 die Antriebsfeder gewesen und ein Verdienst, dass Deutschland eine Demokratie geworden sei. Ein Beispiel dafür seien die vielen Bürgerinitiativen, betonte Strasser. Kein Verständnis hingegen habe er für die Verehrung der Mao-Bibel. Diese Revolutionstheorien seien für Diktaturen entworfen und nicht anwendbar auf Demokratien.



Deutsche Besonderheit


Eine Besonderheit der deutschen ´68er seien der Idealismus und die Romantik gewesen, so Strasser. Auch spielten Ideologien eine wichtige Rolle und dienten vielen als Hilfskonstruktionen und Identitätsstützen. Der Präsident der Akademie, Klaus Staeck, stellte deutsche Akribie und Gründlichkeit als Besonderheit heraus. Für die Schriftstellerin und Publizistin Tanja Dückers machte gerade der zivile Ungehorsam zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen möglich, wie zum Beispiel mehr Rechte für Frauen und Kinder. Helke Sanders wies noch einmal auf die Leistungen der Frauenbewegung hin, die sich eben nicht mehr mit der althergebrachten Rollenverteilung zufrieden gab und alles hinterfragte. Die Frauen seien eben auch sehr theoriewütig gewesen, betonte Sanders abschließend.

Angeregt und kontrovers verliefen die Gespräche auf der gut besuchten Veranstaltung. Am Ende zeigte sich, dass das Thema `68 immer noch Potential für weitere Diskussionen bietet. Wo so viele verschiedene Meinungen vorhanden sind, ist noch einiges zu erwarten.

Edda Neumann

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