Nach dem Aufstieg folgt oftmals der Fall. Eine Erfahrung, die viele ehemals Mächtige erleben mussten. Katja Kraus spricht in ihrem Buch „Macht“ mit einigen von ihnen darüber.
Ein Leben besteht aus Höhen und Tiefen, je höher es geht, umso tiefer wird der Fall. Das Buch „Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern“ von Katja Kraus handelt von diesen tiefen Stürzen. Die Autorin hat es selbst erlebt. Nach einer erfolgreichen Fußballkarriere war Katja Kraus acht Jahre lang im Vorstand des Fußballvereins HSV. Sie war die einzige Frau im männlich dominierten Management des deutschen Profilfußballs. Dann wurde ihr Vertrag nicht verlängert und sie stand vor dem Nichts.
Sie traf sich mit 17 Personen, die ebenfalls Aufstieg und Fall erlebt haben. Politiker wie Roland Koch (CDU), Gesine Schwan (SPD) und Andrea Ypsilanti (SPD), Sportler wie Thomas Hitzlsperger und Sven Hannawald und Vertreter der Wirtschaft wie Hartmut Mehdorn und Ron Sommer.
In den persönlichen Gesprächen und Erzählungen wird dem Leser deutlich, dass er oftmals die Geschichte zwar aus den Medien kennt – allerdings nur oberflächlich. Viele Details blieben in der Berichterstattung der Medien verborgen, schreibt Kraus. Wer hätte gedacht, dass Roland Koch – früher hessischer Ministerpräsident, jetzt Vorstandsvorsitzender des Konzerns Bilfinger – oft zu hören bekommt, dass er viel netter sei als er in den Medien dargestellt werde? Das erzählt er im Gespräch mit Katja Kraus.
Katja Kraus schafft es in ihrem Buch ihre Gesprächspartner offen zu Wort kommen zu lassen. Dabei verzichtet sie auf jegliche Wertung und bleibt bei einer Beschreibung des Gegenübers. Die ehemalige Fußballspielerin geht sensibel auf ihre Gesprächspartner ein. Björn Engholm (SPD) sagt im Gespräch offen über sich, dass er keine Kanzler-DNA habe. Das Buch wirkt durch solche Äußerungen persönlich, weil die Akteure greifbar werden.
Die Droge Macht
Keiner der Gesprächspartner kann das Gefühl beschreiben, wie es ist Macht auszuüben oder warum es etwas Erstrebenswertes sei. Aus den Erzählungen wird aber deutlich, dass Macht eine eigene Dynamik entwickelt. Sie wirke wie eine Droge.
Ein Streben nach Perfektionismus musste Sven Hannawald mit seiner Gesundheit in Form einer Burnout-Erkrankung bezahlen.
Einige der Gesprächspartner wurden in Machtpositionen gedrängt. Ole von Beust (CDU) hat ähnliches erlebt, es habe dann geheißen: „Soll es doch der Ole machen.“ Aber auch mangelnde Anerkennung in der Kindheit war die Startmotivation für einige nach „ganz oben“ zu wollen. So litt die Autorin Hera Lind lange Zeit daran, nie von ihrer Mutter gelobt worden zu sein.
Mit zunehmendem Erfolg steige der öffentliche Druck unvermeidlich. Jeder Fehler könnte das Ende einleiten. Gesine Schwan berichtet darüber, dass Parteifreunde sie während ihrer zweiten Kandidatur zur Bundespräsidentin im Stich gelassen hätten, obwohl dieselben Schwan bei der ersten Kandidatur noch unterstützt hätten. Ein schlechtes Gewissen könne sie bei ihren Parteifreunden nicht erkennen: „Dafür legen sich diese Leute zu schnell eine Rechtfertigung für ihr Handeln zurecht.“
Das Ende der Macht gleicht einem kalten Entzug. Viele fallen in ein emotionales Loch und schaffen es erst nach einiger Zeit sich in der neuen Situation zu Recht zu finden. Schwan brauchte beispielsweise drei bis vier Monate um „in die Normalität zurück“ zu kehren. Ohne den Druck ist ein Zurücklehnen das erste Mal seit langer Zeit wieder möglich. Machtverlust könne deshalb laut dem ehemaligen Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer auch eine Erlösung sein. Alle von Kraus Interviewten fühlen sich frei und sind sich einig, dass sie kein Interesse hätten wieder nach ganz oben zu gelangen. Ron Sommer findet dazu die Worte: „Ohne Macht ist man mehr Mensch.“
Katja Kraus: "Macht. Geschichten von Erfolg und Scheitern" Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2013, 256 Seiten, 18,99 Euro, ISBN 978-3100385048
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