Kultur

Gerechtigkeit: Wie gleich wollen wir sein?

Über „Die Anatomie der Ungleichheit“ sprachen Yasmin Fahimi, Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, und der schwedische Mathematiker und Per Molander am vorwärts Stand auf der Frankfurter Buchmesse – und nennen eine „Schlüsselmaßnahme“, mehr Gleichheit zu erreichen.
von Birgit Güll · 12. Oktober 2017
Wie gleich wollen wir leben? Per Molander im Gespräch mit Yasmin Fahimi am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse
Wie gleich wollen wir leben? Per Molander im Gespräch mit Yasmin Fahimi am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse

Zwei Murmelspieler, einer hat 50 Murmeln, der andere besitzt fünf. Sind sie ähnlich geschickt, wird der mit den 50 Murmeln das Spiel gewinnen. Anhand dieses Beispiels erklärt Per Molander, Experte für Verteilungsfragen, Ungleichheit. Wer am Anfang mehr hat, wird also sehr wahrscheinlich gewinnen – auch in unserer Gesellschaft.

Bildung gegen die Ungleichheit

Doch welches Maß an Gleichheit wollen wir? Diese Frage sei es, die die Sozialdemokratie immer aufs Neue stellen müsse, sagt Yasmin Fahimi. Die Antwort der Staatssekretärin im Bundessozialministerium: „Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, nach der eigenen Vorstellung zu leben.“ Talente, Ideen müssten gefördert werden. Das sei aber nicht möglich, wenn die Voraussetzungen zu unterschiedlich seien. Fahimi betont, dass es dabei nicht nur um die gerechte Verteilung materieller Güter gehe. Bildung sei ein zentraler Faktor. Wer gut ausgebildet sei, habe bessere Voraussetzungen im Murmelspiel-Beispiel Molanders. „Eine Schlüsselmaßnahme“ nennt Molander die Bildung.

Er betont, dass in den skandinavischen Staaten die Tradition von Gleichheit stärker in der Gesellschaft verankert sei, genau wie das Vertrauen in den Staat. In Deutschland sei das Vertrauen in den Staat dagegen ein Stück weit verloren gegangen. Fahimi umreißt das Problem: „Die Sozialausgaben sind in den letzten Jahren nicht gesunken, aber die Leistungen kommen bei den Menschen nicht an.“ Der Sozialstaat müsse deshalb viel stärker ausdifferenziert werden, auf neue Lebensrealitäten und auf unterschiedliche Bedürfnisse von Menschen reagieren.

Wichtige Rolle der Gewerkschaften

Neben den Leistungen des Sozialstaats gebe es noch eine weitere Schlüsselstelle für gerechte Verteilung: starke Gewerkschaften, die über eine starke Tarifbindung dafür sorgen, dass der Profit zwischen Kapital und Arbeit gerechter verteilt werde. Damit das Murmelspiel nicht schon entschieden ist, bevor es überhaupt beginnt.

Per Molander: Die Anatomie der Ungleicheit. Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können, Westend 2017, ISBN 9783864891847, 24 Euro

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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