Zehn Jahre nach „Germanicus“ ist Gerhard Polt erstmals wieder im Kino zu erleben. Als erfolgloser Dokumentarfilmer träumt er vom großen Durchbruch auf der Leinwand – und zwar mithilfe des „Führers“.
Was für seine früheren Filme gilt, zeigt sich auch in „und Äktschn“: Auch diese Groteske speist sich aus jenen Stärken, die Polt auf der Bühne zu dem gemacht haben, was er ist: der Inbegriff für gleichsam feinsinnige wie brachiale Satire. Dieses, alles andere überragende Markenzeichen gilt auch für seinen neuesten Protagonisten. Das ist allerdings nicht nur die Stärke, sondern auch die Schwäche der deutsch-österreichischen Koproduktion.
Trailer
In seiner Ahnungslosigkeit, die ihn nicht davon abhält, mit oberpeinlicher Selbstgewissheit über die Welt zu schwadronieren, erinnert dieser Hans A. Pospiech an all die anderen tumben Spießer, die Polt seit Jahrzehnten auf der Bühne oder vor der Kamera verkörpert. Diesmal tritt er als Mann am Rande der Gesellschaft auf: Der Amateurfilmer ist nicht nur ständig abgebrannt, sondern in seiner bayerischen Kleinstadt ohne echte Perspektive. Auch wenn der Rentner das so nie sagen würde. „Wir sind nicht Provinz, sondern Provence“, lautet seine Devise, wenn es um seine fiktive Heimatstadt Neufurth geht. Dabei ist es gerade die „Äktschn“, die dort fehlt – wenn man von den über die Dächer donnernden Flugzeugen mal absieht. Pospiech („Zum Genie fehlt mir das Geld“) sucht und findet sie, indem er aufs Rad steigt und mit seiner Filmausrüstung im Anhänger durch verschneite Straßen kurvt.
Achtung, Risikokunde!
Andererseits befindet sich der Grantler, der nebenbei Devotionalien aus dem Zweiten Weltkrieg im Internet verkauft, in bester Gesellschaft: Wie auch die nur mühsam über die Runden kommende Kneipenwirtin Grete Neuriedl (Gisela Schneeberger), Plattenhändler Günther Fleischbauer und viele andere aus seinem Kreis hat ihn seine Bank unter der Rubrik „Risikokunde“ einsortiert. Und die vermiesen dem ehrgeizigen Leiter der örtlichen Sparbank-Filiale gehörig die Zahlen. Bis jenem Herrn Faltermeier eines Tages eine geniale Idee kommt: ein Filmpreis für Neufurth – und Pospiech soll die 30 000-Trophäe bekommen, um seinen Kontostand zu sanieren.
So weit, so gut: In typischer Polt-Manier erleben wir ein Inferno der Mittelmäßigkeit, wo sich viele für den Größten halten. So auch Pospiech. Im Filmklub „Kosmos“ kommt es regelmäßig zum Showdown, weil er mit dem erfolglosen Immobilienmakler Nagy um die Position des obersten Cineasten streitet. Der Bedeutung seines Metiers wähnt sich Pospiech voll bewusst. „Ohne den Peter Ustinov wüsste doch heute kein Mensch mehr, wer Rom angezündet hat“ ist eine der abstrusen Weisheiten, die er im Brustton der Überzeugung verkündet.
Die träge Erzählweise und die statische Bildsprache mögen bisweilen an längst vergangene (Fernseh-) Zeiten erinnern. Andererseits kann sich dadurch nicht nur das festgefahrene Ambiente des Kleinstadtmilieus in aller Ruhe – um nicht zu sagen: umso unheilvoller – ausbreiten. Zugleich ist zu erleben, warum die Provinz eben auch ein Ort der Sehnsucht ist. Nämlich in dem Sinne, dass viele etwas anderes sein oder tun wollen, als ihnen eigentlich möglich ist. Und deswegen immer wieder scheitern.
Casting in der Pampa
Weniger überzeugend gerät der Erzählstrang, der dem Ganzen eigentlich zusätzlichen dramaturgischen und humoristisches Schwung hätte bieten können. Schwindlig geworden von den 30.000 Euro Preisgeld auf den Werbeplakaten für die „Goldene Platte“ der Sparbank, will Pospiech einen Kassenschlager fabrizieren, um endlich ausgesorgt zu haben. Seine Idee: ein biografisches Werk über einen Menschen, über den nicht nur dort, im Berchtesgadener Land, jeder eine Meinung hat – Adolf Hitler. Im fiebrigen Eifer castet er örtliche Laiendarsteller und sucht nach Drehorten. Doch Pospiech ahnt nicht, dass jemand aus seinem Dunstkreis das Projekt hintertreibt.
All das zündet jedoch nur bedingt. So fahrig und fragmentarisch wie die Drehs, die Pospiech unter anderem im örtlichen Bäckereicafé anberaumt, gerät vor allem die zweite Hälfte des Films. Die Verwicklungen am Set sind auch schon wieder passé, noch bevor das komische Moment darin voll zur Entfaltung gekommen ist. Spätestens hat man das Gefühl, einem permanenten Making-of beizuwohnen. Außerdem kommt die satirische Sicht auf ein Hitler-Filmprojekt rund zehn Jahre zu spät. Nach all den Werken von Dani Levy, Quentin Tarantino und all den anderen wäre es zeitgemäßer gewesen, die filmische Satire(n) auf Hitler durch den Kakao zu ziehen.
Ein Aufklärer
Freunde des Poltschen Kabarettschaffens werden hingegen reichlich bedient, wenn sie Pospiech in seine Garage folgen. Inmitten von Filmrollen erleben sie einen typischen Polt-Charakter, wenn auch mit ungewohnten künstlerischen Neigungen. Das ist es letztlich auch, was diesen Film sehenswert macht. Die anderen Darsteller, sogar Polts langjährige Bühnen- und Filmpartnerin Gisela Schneeberger, wirken weitgehend ausgebremst. Meist ist es Pospiech, der die Pointen besorgt. Viel lieber säßen wir allein mit ihm in seinem Verschlag, um uns von ihm – von wem auch sonst? – über das Wesen der Filmkunst und die Provinz als Paradies aufklären zu lassen.
Info: Und Äktschn (Deutschland/Österreich 2013), Regie: Frederick Baker, Drehbuch: Frederick Baker und Gerhard Polt, mit Gerhard Polt,Gisela Schneeberger, Maximilian Brückner, Robert Beyer u.a., 93 Minuten.