Ginge es nicht um ernsthafte politische Diskriminierungen, müsste man die Vorgehensweise schlicht als kindisch bezeichnen: Da werden komplette Falschinformationen über den
baden-württembergischen SPD-Landtagsabgeordneten Stephan Braun oder den Kölner Wissenschaftler Christoph Butterwegge in die Online-Enzyklopädie Wikipedia eingestellt. Oder es wird an selber Stelle
um die "richtigen" Lexikoneinträge zu Begriffen wie "Deutsche Burschenschaften und Antisemitismus" und "Neue Rechte" regelrecht gekämpft.
Hinter diesen online und anonym geführten Auseinandersetzungen um die Meinungshoheit über bestimmte Termini stecken häufig Menschen aus dem Umfeld der "Jungen Freiheit". Zu diesem Ergebnis
kommt die Journalistin und Web-Kennerin Margret Chatwin in ihrem Beitrag, der in dem vor kurzem erschienenen Sammelband "Die Wochenzeitung ,Junge Freiheit'" enthalten ist. Herausgeber sind die
stellvertretende SPD-Vorsitzende und Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag, Ute Vogt, und ihr Fraktionskollege Stephan Braun. Auf 362 Seiten haben sie und 17 weitere Autor/innen -
allesamt Kenner der rechten und rechtsextremen politischen Szene - Geschichte und Entwicklung der Wochenzeitung ebenso nachgezeichnet wie Themensetzungen, gewollte Provokationen sowie Verbindungen
von Autor/innen zu rechtsextremen Publikationen und Personen.
Im Visier des Verfassungsschutzes
Ausgangspunkt für die Buchveröffentlichung über das Blatt ist ein Vergleich, den die "Junge Freiheit" 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht erzielt hat, wonach die Aufnahme in
Verfassungsschutzberichte erschwert ist. Tatsächlich hatte es die Publikation regelmäßig "geschafft", in den Fokus der Verfassungsschützer in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu geraten -
sehr zum Missfallen der Macher um Chefredakteur Dieter Stein. Dass es auch nach dem Vergleich vor dem Bundesverfassungsgericht mehr als genug Gründe gibt, jede Ausgabe der "Jungen Freiheit"
akribisch auf Verbindungen zum Rechtsextremismus zu untersuchen, belegt Vogts und Brauns Buch eindrucksvoll.
Die "Junge-Freiheit"-Redaktion selbst hat in den zurückliegenden Jahren einiges dafür getan, sich als "seriöses", "rechts-konservatives" Blatt darzustellen. Da sollen zum einen Interviews mit
über jeden Zweifel erhabenen Politikern wie Egon Bahr oder Peter Glotz, zum anderen die Abwendung von plumpen nationalistischen oder antisemitischen Parolen das Image aufhübschen. Doch der Blick
der Expertinnen und Experten hinter diese ansprechende Fassade fördert vor allem wieder das altbekannte Gedankengut der Geschichtsrevisionisten und Neuen Rechten zutage, wie etwa Michael Pechels
Buchbeitrag über "Das Geschichtsverständnis der ,Jungen Freiheit'" zeigt.
Verankert in der rechtsextremen Szene
"blick nach rechts"-Herausgeber Helmut Lölhöffel belegt in seinem Aufsatz wiederum, dass die Zeitung mit der Wahl ihrer Interviewpartner mehrere Absichten verfolgt: Zum einen gehe es um die
Aufwertung der eigenen Reputation durch Gespräche mit lupenreinen Demokraten, zum anderen aber auch darum, der "Jungen Freiheit" zu öffentlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen.
Aufschlussreich auch die Kapitel, in denen die vielfältigen Verbindungen des Zeitungsverlages wie seiner Autorinnen und Autoren in die rechtsextreme Szene hinein nachgezeichnet werden. Für
das "Who's who" bei der "Jungen Freiheit" zeichnet der Journalist Anton Maegerle verantwortlich, und er hat Interessantes zutage gefördert.
Von Alain de Benoist, der laut bayerischem Innenministerium "eindeutig dem Rechtsextremismus zuzurechnen ist" über Andreas Molau, der nach einigen Jahren in der Redaktion der "Jungen
Freiheit" Berater der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen und Vizechefredakteur der "Deutschen Stimme" wurde bis zu Werner Olles, den das nordrhein-westfälische Innenministerium dem
nationalrevolutionären Flügel der extremen Rechten zurechnet, finden sich genügend ausgewiesene Rechtsextreme, um das genaue Hinschauen der Verfassungsschützer mehr als zu rechtfertigen.
Handfeste Belege durch Themen und Geldgeber
Und auch die Anzeigenkunden in der "Jungen Freiheit", zu denen bnr-Redakteurin Gabriele Nandlinger ausführlich recherchiert hat, sind zu einem großen Teil Verlage und Organisationen aus dem
extrem rechten Spektrum. Beiträge von Wolfgang Gessenharter, Helmut Kellershohn, Regina Wamper und anderen, die detailliert Themen und Debatten in der "Jungen Freiheit" nachzeichnen, liefern
weitere handfeste Belege für die starke Affinität des Blattes zum extrem rechten politischen Rand.
Bedauerlich ist freilich an diesem Sammelband, dass er sich über weite Strecken vor allem an ein einschlägig vorgebildetes Lesepublikum wendet, denn die Fülle an Personen-, Organisations- und
Publikationsnamen lässt sich ohne Vorwissen kaum fassen.
Gudrun Giese
Die Wochenzeitung "Junge Freiheit" - Kritische Analysen zu Programmatik, Inhalten, Autoren und Kunden, hrsg. von Stephan Braun und Ute Vogt, BS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007,
362 Seiten, 39,90 Euro.
Quelle: www.bnr.de
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