Kultur

Gegen Hitler und Stalin

von Die Redaktion · 26. Oktober 2007

Der 20. Juli 1944 ist zweifelsohne einer der großen Tage der neueren deutschen Geschichte. Die Widerstandsbewegung hatte, um Henning von Tresckow zu zitieren, vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt und gezeigt, dass ein anderes, ein besseres Deutschland gab. In der öffentlichen Wahrnehmung ist fast ausschließlich der Name Claus Schenk Graf von Stauffenbergs mit dem militärischen Widerstand gegen Hitler verbunden. Unter dem Titel "Stauffenbergs Freund" legt Peter Hoffmann, einer der profundesten Kenner der deutschen Widerstandsbewegung, nun eine biographische Skizze eines der Mitverschwörer aus dem Kreis um Tresckow und Stauffenberg vor: die von Major i.G. Joachim Kuhn. Dessen Schicksal ist auch im Kontext der Zeitumstände als besonders tragisch zu werten.



Opfer zweier Diktaturen


Joachim Kuhn wird 1913 in Berlin geboren. Schnell macht der Spross einer bürgerlichen Familie militärische Karriere, 1942 wird er zum Generalstab des Heeres abkommandiert. Sein Vorgesetzter Claus von Stauffenberg gewinnt ihn für die Sache der Verschwörer. Er führt Kuhn in den Kreis um Tresckow und Stauffenberg ein. 1943 beschafft der dann englischen Sprengstoff für das Attentat auf Hitler. Auch privat kommen beide in Kontakt. Kuhn verlobt sich mit einer Kusine Stauffenbergs. Vom Scheitern des Attentats erfährt Kuhn am 21. Juli 1944 als Offizier an der russischen Front. Er entzieht sich der Festnahme und dem drohenden Tod, gerät in russische Kriegsgefangenschaft. Als er sich weigert mit den Sowjets zusammenzuarbeiten, folgen Jahre des Kerkers und der Folter. Erst 1956 kehrt Kuhn als gebrochener Mann in die Bundesrepublik zurück. Nachkriegsdeutschland allerdings dankt ihm seinen Mut nicht. Kuhn stirbt 1994 krank und vereinsamt in Bad Brückenau.

Denkmal für einen tragischen Helden

Peter Hoffmann lehrte lange Jahre an der McGill University in Montreal. Bereits 1969 veröffentlichte er "Widerstand, Staatsstreich, Attentat" - heute ein Standardwerk, später folgten Bücher über die Brüder Stauffenberg und den 20. Juli. Nüchtern und unpathetisch im Stil legt Hoffmann mit "Stauffenbergs Freund" eine sehr detaillierte Biografie Joachim Kuhns vor, für deren Lektüre jedoch Vorkenntnisse über die Widerstandsbewegung vonnöten sein dürften. Auch widerlegt der Autor populäre Mythen. Als oberste Priorität unter den Motiven der Verschwörer zum Handeln, insbesondere Stauffenbergs, macht er die schlechte Behandlung der Bevölkerung in den eroberten Ländern sowie die Behandlung der Juden aus. Die katastrophale militärische Führung folgte erst an zweiter Stelle. Hoffmann bezieht sich hierbei wesentlich auf die Aussagen Kuhns. Er erweitert damit die Forschung um bisher unbekannte Aspekte. Mit seinem gelungenen Buch rückt der Autor so den "tragischen Held von großem moralischen Mut, von großer moralischer Kraft" (Hoffmann) und dessen vergessenes Schicksal in ein würdiges Licht.

Robin Rüsenberg

Peter Hoffmann, Stauffenbergs Freund. Die tragische Geschichte des Widerstandskämpfers Joachim Kuhn, München 2007, Verlag C.H.Beck, 246 S., 24,90 Euro, ISBN 978-3-406-55810-8

Stauffenberg-Biografie überarbeitet

Zum 100. Geburtstag von Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 15. November ist soeben eine überarbeitete Auflage der Stauffenberg-Biografie von Peter Hoffmann im Pantheon Verlag erschienen. Darin hat der Autor neue Dokumentenfunde aus dem ehemaligen KGB-Archiv in Moskau zum Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 verarbeitet.

Peter Hoffmann: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Die Biographie. München 2007, Pantheon Verlag, 720 S. mit Abbildungen, 14,95 €, ISBN 978-3-570-55046-5

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