Mit einer spannenden Diskussion zur Lage der Kultur in Deutschland am Beispiel der öffentlichen Bibliotheken hat sich das Kulturforum Berlin unter dem Vorsitz von Winfried Sühlo zu Wort
gemeldet. Welche Rolle Bibliotheken spielen Bibliotheken in unserer heutigen Gesellschft und wie werden sie politisch wahrgenommen? Diese Fragen diskutierten die Generaldirektorin der Stiftung
Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Prof. Dr. Claudia Lux, der Leiter der Stadtbibliothek Tempelhof/Schöneberg, Dr. Engelbrecht Boese, und der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der
Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland", Siegmund Ehrmann, in Berlin.
Die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland", die im Dezember 2007 ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, unterstreiche ausdrücklich die Bedeutung von Kultur für die Gesellschaft. "Kultur
ist auch soziale Vorsorge", so Ehrmann. Besonders deutlich wird das in öffentlichen Bibliotheken.
Bücherausleihe auch am Sonntag
Öffentliche Bibliotheken sind Kultur- und Bildungseinrichtungen, in denen intensive Leseförderung stattfindet, hob Dr. Boese hervor. Bibliotheken werden von allen gesellschaftlichen Gruppen
intensiv genutzt. Zudem sind sie Kulturinstitutionen, die auch von Migranten regelmäßig aufgesucht werden. Besonders in Städten, die von sozialem Wandel betroffen sind, stellen Bibliotheken
"kulturelle Orte" dar.
Büchereien haben sich in den letzten Jahren massiv verändert. Die Zeiten in denen sie als reine "Bücherausleihen" fungierten, seien vorbei, so Prof. Dr. Lux. Leitbild der heutigen Bibliothek
sollte das "Wohnzimmer der Stadt" sein, d.h. Büchereien als konsumfreie kulturelle Aufenthaltsorte. Daher unterstützt der deutsche Bibliotheksverband auch die Forderung nach einer Sonntagsöffnung
für Bibliotheken.
geringe politische Aufmerksamkeit
Trotz ihrer kulturellen und bildungspolitischen Leistung genießen Bibliotheken nur eine geringe politische Aufmerksamkeit. Bedroht seien öffentliche Büchereien immer wieder vom Sparzwang der
öffentlichen Haushalte. Die Enquete-Kommission hat ermittelt, dass sich die Zahl der öffentlichen Bibliotheken zwischen 1999 und 2006 von ca. 10 000 auf rund 9000 verringert hat.
Dies gehe einerseits auf strukturelle Zusammenlegungen unattraktiver Standorte zurück, anderseits gebe es mittlerweile viele Städte und Gemeinden in Deutschland, die nach der Schließung der
Stadtbibliothek über keine öffentliche Bibliothek mehr verfügen. Hier sieht Ehrmann gesetzgeberischen Handlungsbedarf und appellierte an die Länder, Bibliotheksgesetze zu erlassen und damit
öffentliche Bibliotheken zur Pflichtaufgabe zu erklären. Gleichzeitig bedarf es Qualitätsstandards, wie sie die Enquete-Kommission fordert.
Der Schlussbericht der Kommission zeige bereits Wirkung. Die Länder Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt beraten bereits über Anträge und parlamentarische
Initiativem. In Berlin gibt es derzeit keine Initiativen. Aus dem Publikum kritisierte Alfred Molter vom Bibliotheksverband Berlin, dass die guten Beispiele in den Berliner Bezirken auf Landesebene
nicht hinreichend wahrgenommen würden. Innerhalb der politischen Ressorts in Berlin gebe es Abstimmungsdefizite. Die kulturpolitische Sprecherin der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Brigitte
Lange, nahm diesen Hinweis auf und kündigte an, sich innerhalb ihrer Fraktion für ein Bibliotheksgesetz stark zu machen.
Klaus-Jürgen Scherer
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