Gabriel: „Junckers Programm reicht nicht aus“
Es ist kein gutes Zeugnis, das die beiden Sozialdemokraten der Europäischen Union am Montag in Berlin ausstellten. Bei einer gemeinsamen Buchvorstellung der Interviewsammlung „So kann Europa gelingen“ warnten der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Deutschlands Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor einem Auseinanderbrechen Europas. „Die hohe Arbeitslosigkeit in Europa gefährdet den Zusammenhalt“, so Faymann. Beide betonten deshalb die dringend erforderlichen Investitionen in Wachstum und forderten vor allem in wirtschaftlichen Fragen ein stärkeres Europa. „Es wird Zeit, dass wir eine andere Antwort auf die Probleme finden, als noch mehr Liberalisierung“, erklärte Gabriel.
Das 315 Milliarden große Konjunkturprogramm von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei jedoch nicht nur nicht ausreichend, es sei auch unklar, wofür das Geld verwendet werden soll, bemängelte Gabriel. „Wir brauchen eine Projektliste zur europäischen Einheit“, forderte der SPD-Parteichef, ähnlich wie es sie in Deutschland nach der Wiedervereinigung gegeben habe. „Dann werden wir auch private Investoren finden.“ Ohne einen geeigneten Plan sei das Geld hingegen schnell aufgebraucht, im Zweifel ohne bleibende Auswirkungen. Gabriel plädierte deshalb für Investitionen, welche die „Wettbewerbsfähigkeit einer sich digitalisierenden globalen Ökonomie“ verbesserten. Dazu zählte er unter anderem Investitionen in den Ausbau des Breitbandnetzes und Digitalisierungsstrategien.
Steuerdumping ein Ende setzen
Juncker hatte Ende November ein EU-Investitionsprogramm angekündigt. Er plant, mit einem Fonds für strategische Investitionen in Höhe von 21 Milliarden Euro, innerhalb von drei Jahren ein Vielfaches an privaten Investitionen auszulösen. Viele Ökonomen zweifeln aber, ob sich ein solcher Hebel-Effekt einstellen wird. Vertreter der Europäischen Kommission und der am Plan beteiligten Europäischen Investitionsbank (EIB) sollen die Projekte auswählen, die von dem Juncker-Programm profitieren sollen.
Neben dem fehlenden Fahrplan für Konjunkturinvestitionen kritisierte Sigmar Gabriel fehlende gemeinschaftliche Steuerregeln auf europäischer Ebene sowie mangelnde Investitionen in Forschung und Bildung. Minimalsteuersätze würden „dem Steuerwettbewerb nach unten eine Grenze setzen“, zeigte er sich überzeugt. Auch für eine europäische Energiepolitik sprach sich der Wirtschaftsminister aus. Seit mehr als zehn Jahren wanderten energieintensive Unternehmen in die kostengünstigeren USA ab. „Am Ende scheitert Europa daran, dass wir keine Ideen haben“, warnte Gabriel. Faymann forderte darüber hinaus ein gemeinsames Vorgehen gegen Korruption, Lohndumping und Steuerhinterziehung.
„Russland nicht aufgeben“
Auch zur Russland-Frage äußerten sich die beiden Sozialdemokraten. Um die Krise zu entschärfen, müsse der Dialog intensiviert werden, so Faymann. Gabriel riet zu einer neuen Ostpolitik der EU: „Ich kann nur dazu raten, das europäische Russland nicht aufzugeben.“ Um die Lage nicht weiter zuzuspitzen, werde "die SPD in der Bundesregierung garantiert nicht dafür stimmen, die Ukraine in die Nato aufzunehmen", so der Vizekanzler weiter.
Margaretha Kopeinig, Helmut Brandstätter: „So kann Europa gelingen. Gespräche mit Werner Faymann, Sigmar Gabriel, Federica Mogherini“, Verlag Kreymayr & Scheriau, 176 Seiten, 22,- Euro, ISBN 978-218-00967-6
ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.