Am Beispiel Österreichs zeigt Christan Felber, Co-Autor und Co-Herausgeber des kritischen EU-Buches, einige Konsequenzen der bisherigen europäischen Politik auf. Sozialabbau, steigende
Arbeitslosigkeit und sinkende Reallöhne habe die österreichische Gesellschaft seit ihrem Eintritt in die Europäische Union vor zehn Jahren zu spüren bekommen, so Felber. 40% der Bevölkerung in der
Alpenrepublik hätten in den letzten zehn Jahren 14% ihrer Kaufkraft verloren. Trotz wachsender Gewinne der Unternehmen in Europa sinke hier seit 30 Jahren die volkswirtschaftliche
Investitionsquote.
Attac will das Projekt Europa solidarischer und demokratischer machen. Europäische Parteien und die Vernetzung der Zivilgesellschaft könnten eine europäischen Öffentlichkeit aufbauen helfen,
meinen die Aktivisten. Die Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht sollte von einer öffentlichen Diskussion begleitet werden.
Auf 320 Seiten haben sich Ökonomen, Volkswirtschaftler, Juristen, Gewerkschafter, Journalisten und Bankangestellte mit Themenbereichen wie Standortwettbewerb, Sozialabbau, Gentechnik,
Atomenergie, Europäische Zentralbank, und Finanzmärkte auseinandergesetzt.
Frauen sind Hauptverlierer des Steuerwettbewerbs
Bei sinkender Besteuerung von Unternehmensgewinnen, Zinserträgen, Kapital und Spitzeneinkommen seien Frauen die Hauptverlierer. Dies stellen die beiden Autorinnen Sybille Pirklbauer,
Referentin der Frauenabteilung der Arbeiterkammer Wien und die angehende Volkswirtschaftlerin Miriam Rehm in einem Aufsatz über den europäischen Steuerwettbewerb fest.
Weniger Steuern bedeutet weniger Geld für den Staat, weniger Geld für öffentliche Dienstleistungen wie Kinderbetreuung und Pflegeeinrichtungen. Gerade in der aktuellen Diskussion um mehr
Kinder und mehr Rentenbeitragszahler steht die Kinderbetreuung im Focus der politischen Debatte. Frauen leisten nach Informationen der Autorinnen heute immer noch einen großen Teil der Pflege- und
Betreuungsarbeit. So treffe sie eine Verringerung solcher Einrichtungen besonders. Da Frauen heute auch immer noch ein Drittel weniger als Männer verdienten und häufiger armutsgefährdet seien,
würden sie auch einen Abbau an sozialer Sicherheit besonders spüren.
Aber auch die Arbeitnehmer sind Leidtragende des knappen Geldes. So sei die durchschnittliche Besteuerung von Arbeit in den letzten 15 Jahren nach Berechnungen des EU-Kommissar Mario Monti
aus dem Jahr 1998 von 35 auf 42 Prozent gestiegen.
Das Fazit der Autorinnen: Auch Unternehmen könnten mittelfristig ohne funktionierende Infrastruktur und ohne KonsumentInnen nicht existieren. Daher schlagen sie das Schließen von
Steuerschlupflöchern, die Beendigung des Wettlaufs um niedrige Steuern und eine gerechtere Besteuerung von Kapitaleinkommen vor.
Sinnvolle Ansätze sind jetzt schon in der EU vorhanden. In Dänemark müssen alle Einkommen automatisch an das Finanzamt des Wohnsitzes gemeldet werden. Dieses Modell sollte für alle
europäischen Mitgliedsländer gelten, meinen die Autorinnen. Für die sogenannte Tobinsteuer- eine geringe Steuer auf Devisentransaktionen zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte - hätten
Belgien und Frankreich schon gesetzliche Bestimmungen, die bei einer europaweiten Einführung in Kraft treten würden. Auch Ex-Kommissar Franz Fischler unterstützt die Steuer.
In der gegenwärtigen Debatte um die Weiterentwicklung der Europäischen Union bietet dieses Buch interessante Denkanstösse.
Karin Müller
Attac (Hg).: Das kritische EU-Buch. Warum wir ein anderes Europa brauchen, Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2006, ISBN-10: 3552060324, 320 Seiten
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