Die junge Journalistin und Autorin Mely Kiyak macht deutlich, dass für politisches Engagement und sozialen Einsatz eine andere Herkunft kein Hinderungsgrund ist. Besondere Hürden gab es für
die zehn befragten Politiker aber dennoch zu bewältigen. Die Emanzipation aus einem konservativ-islamisch geprägten Elternhaus, der Aufstieg aus schwierigen sozialen Verhältnissen sowie Vorbehalte
und Diskriminierungen auf dem Weg zum ersten Mandat - das sind Erfahrungen, von denen viele von ihnen berichten.
Dennoch deckt Kiyak in ihren Interviews auch deutliche Unterschiede in den Biographien und politischen Positionen der Befragten auf: Evrim Baba beispielsweise stammt aus einem intellektuellen
kurdischen Elternhaus der 68er-Generation und gelangte in den 80er Jahren als Kind politisch Verfolgter nach Deutschland. Die PDS-Politikerin setzt sich insbesondere für Flüchtlinge und Frauen ein.
Oder Mustafa Kara. Die Heirat mit einer deutschen Istanbuler Kommilitonin zieht ihn ins baden-württembergische Neckarsulm. Als Stadtratsmitglied wird der Apotheker alsbald zum seltenen Exemplar
eines CDU-Mandatsträgers mit Migrationshintergrund. Der pragmatische Kommunalpolitiker übernimmt fortan eine Mittlerrolle zwischen der eigenen Partei und den türkischen Migranten in seiner Stadt.
Und natürlich Cem Özdemir (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): der "anatolische Schwabe" zog 1994 als erster türkeistämmiger Politiker in den Bundestag ein. Er wurde so zur zentralen Symbolfigur politischer
Mitwirkung von Migranten in Deutschland.
"Warum machen Sie eigentlich Politik?"
Neugierig und kritisch zugleich ist Mely Kiyak in ihren Interviews. Sie spürt vor allem den politischen Antrieb ihrer Gesprächspartner auf. "Warum machen Sie eigentlich Politik?", lautet ihre
Leitfrage. Die Antworten sind vielfältig. Lale Akgün, für die SPD im Bundestag, erklärt: "Migrantenpolitik mache ich eben nicht nur für die Migranten selbst, sondern für alle. Denn
Integrationspolitik ist Sozial- und Bildungspolitik, und das kommt allen Menschen zugute." Für Ekin Deligöz, Bundestagsabgeordnete der Grünen, ist Politik "auch ein Gefühl, die Suche nach
Gerechtigkeit und der Wunsch nach Verantwortung."
Politische Teilhabe für alle!
Mely Kiyak zeigt, dass der Wille sich einzubringen und sich für seine Stadt, seine Heimat, sein Land - kurz für Deutschland - zu engagieren, alle befragten Politiker vereint. Ihre Botschaft:
Die "10 für Deutschland" sind nicht nur Vorbilder für eine gelungene Integration. Sie beweisen zugleich, wie wichtig soziale und politische Teilhabe von Menschen mit Einwanderungshintergrund ist.
Mit ihrer offenen und aufrichtigen Art der Gesprächsführung gelingt es der Autorin, ihren Interviewpartnern auch viele persönliche Dinge zu entlocken. So machen Nähe und Authentizität der
Begegnungen die Lektüre unterhaltsam und lehrreich zugleich.
Tobias Quast
Mely Kiyak: 10 für Deutschland. Gespräche mit türkeistämmigen Abgeordneten; edition Körber-Stiftung, Hamburg, 2007; 14 Euro; ISBN 978-3-89684-068-4
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