Kultur

Freundschaft unter Todfeinden

Israels Spion im Herzen der Hamas – der Film „Der Grüne Prinz“ erzählt vom außergewöhnlichen Lebensweg eines jungen Palästinensers, der Grenzen überschreitet, um den Fanatismus zu bekämpfen. Die hoch spannende Dokumentation im Stile eines Thrillers beruht auf wahren Ereignissen.
von ohne Autor · 28. November 2014
Ein bedrohter Sohn der Hamas: Mosab Hassan Yousef.
Ein bedrohter Sohn der Hamas: Mosab Hassan Yousef.

Im Mittelpunkt des Films steht die Freundschaft zwischen dem aus den Palästinsergebieten stammenden Mosab Hassan Yousef und dem Israeli Gonen Ben Itzhak, welcher ein ehemaliger Offizier des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin-Bet ist. Yousef hingegen ist ein Spross des Hamas-Adels in der West Bank und diente seinem Freund zehn Jahre lang als Informant. In dieser aberwitzigen Geschichte zeigt sich zugleich, warum sich die ewige Spirale aus Gewalt und Gegengewalt, Hass und Vorurteilen so schwer ausschalten lässt.

Vor gut vier Jahren füllte Mosabs Buch „Sohn der Hamas. Mein Leben als Terrorist“ weltweit die Zeitungen. Darin schildert der Autor seinen Lebensweg – wie er als ältester Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Yousef, den israelische Spezialeinheiten vor den Augen der Familie immer wieder für Jahre einkassieren, vom glühenden Israel-Hasser zum Spion des Feindes wird. Nach der Spitzel-Tätigkeit beginnt er ein neues, aber bedrohtes Leben in den USA, wo er – ein weiteres Sakrileg – zum Christentum konvertiert.

Verborgenste Bereich des Terrormilieus

Der israelische Filmemacher Nadav Schirman baut darauf auf. Wie schon in „In The Darkroom“, einer Rekonstruktion des Familienlebens des früheren internationalen Terrorpaten Carlos, liefert er intensive Einblicke in verborgenste Bereiche des Terroristen- und Geheimdienstmilieus. Als wäre dieser Stoff nicht fesselnd genug, baut Schirman die Geschichte in Form eines dokumentarischen Thrillers auf. Die Erzählweise ist einfach aber wirkungsvoll. Die zwei Männer berichten aus einzelnen Etappen ihrer besonderen Beziehung, welche als Konspiration unter Todfeinden begann. Zum Beispiel Mosabs erste Verhaftung und anschließender Folter im Gefängnis als 17-Jähriger, weil er Waffen beschaffen wollte. Kurz danach wird er von den Israelis rekrutiert. Sie planen Geheimdienst-Aktionen im Westjordanland, um Selbstmordattentate der Hamas zu stoppen und deren Aktivisten festzunehmen. Selbst als es darum geht, Mosabs noch immer einflussreichen Vater zu isolieren, kooperiert er mit Gonen.

Im Jahr 2005 werden die Operationen von Mosab, Deckname „Der grüne Prinz“, dem nicht gerade zimperlichen Geheimdienst Schin-Bet zu heiß. Doch der Prinz kann nicht in sein altes Leben zurück. An seinem Fluchtpunkt USA ist er auf sich allein gestellt. Ihm droht die Abschiebung. Gonen entschließt sich, ihm entgegen allen Vorschriften beizustehen, obwohl er sich damit in Lebensgefahr begibt und seine Karriere gegen die Wand fährt.

Während die beiden im Kreuzverhör dramatische und berührende Situationen Revue passieren lassen und die wachsende Annäherung beschreiben, nimmt der Zuschauer verschiedene Perspektiven ein. Mal sitzt er den Protagonisten gegenüber, mal sieht er Mosab in raren Archivaufnahmen, zum Beispiel auf Undercover-Tour in Ramallah. Dann wieder folgen nachempfundene Bilder aus israelischen Überwachungskameras oder Spielszenen. Er sieht Fernsehausschnitte mit einem eifernden Hassan Yousef vor jubelnden Hamas-Kämpfern und von Bombenanschlägen in Israel. Wenn der Film auch keinen klaren politischen Standpunkt einnimmt, ist stets klar, auf welch dünnem Eis sich der Führungsoffizier Gonen und sein Spitzel bewegten, dessen Identität auch innerhalb des Geheimdienstes lange „top secret“ bleibt.

Auf beiden Seiten Menschenleben retten

Mögen die Agentenspielchen vor realem politischen Hintergrund auch noch so spannend sein – die eigentliche Faszination des Films liegt in seiner psychologischen Tiefe. Zum Beispiel wenn Mosab erklärt, wie es Gonen gelang, ihn „umzudrehen“ und welche Rolle dabei eine traumatische Erfahrung spielte. Heute ist sein Hauptfeind die „Macht der Schande“ – dass sich Menschen scheuen, Dinge zu tun oder zu sagen, weil sie die Vorverurteilung und Ausgrenzung durch ihr Umfeld fürchten. Mosab hat sich seinerzeit entschieden, Verantwortung zu übernehmen und sich gegen den herrschenden Moralkodex zu stellen, um auf beiden Seiten Menschenleben zu retten, sagt er heute. Welch hohen Preis er für das Leben als Ausgestoßener zahlt, ist in jedem Moment zu spüren. Zumal die anhaltende Verbundenheit zu seinem Vater als Mensch schmerzt. Indem er ihn hinter Gittern verschwinden ließ, wollte der Sohn ihn davor schützen, bei einer israelischen Aktion getötet zu werden. Als Mosab seine Aktivitäten öffentlich macht, muss sich der Vater von ihm lossagen, um nicht von den eigenen Leuten drangsaliert zu werden. So funktioniert der Nahe Osten. Daran wird auch die moralische Größe der beiden Protagonisten dieses Films so bald nichts ändern.

Info

Der grüne Prinz (The Green Prince, Deutschland/Israel/Großbritannien 2014), ein Film von Nadav Schirman, mit Mosab Hassan Yousef und Gonen Ben Itzhak, OmU, 95 Minuten

Ab sofort im Kino

0 Kommentare
Noch keine Kommentare