Kultur

Freunde und Helfer als Mörder

von ohne Autor · 23. März 2011
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Auf Fotos geben die Männer den biederen Beamten. Doch die Verbrechen, für die sie in den 60er-Jahren vor bundesdeutschen Gerichten standen, sind monströs. Wie im Fall von Julius Wohlauf. Der Kompanieführer des berüchtigten Reserve-Polizeibataillons 101 wurde wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 8200 Menschen in Polen zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. SS-Obersturmführer Georg Heuser war Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Minsk.

15 Jahre Haft lautete das Strafmaß für die Beihilfe zur planmäßigen Ermordung von 11 103 Zivilisten. Beide Biografien sind exemplarisch für das dunkelste Kapitel der deutschen Polizei: deren Verstrickung in den Terror und in die Ausrottungspolitik des NS-Regimes. Die Filmemacher beleuchten einen Aspekt der NS-Gewaltherrschaft, der, ebenso wie die Verbrechen der Wehrmacht, erst seit den 90er-Jahren ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist.

Der US-Historiker Christopher Browning leistete mit seinem Buch "Ganz normale Männer: Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die 'Endlösung' in Polen" Pionierarbeit. Auf dieser und anderen Studien baut "Hitlers Polizei" auf. Der Film beschreibt, wie einfache Streifenpolizisten, die in der Weimarer Republik den Verkehr regeln, ab 1933 zur Sicherung der "Volksordnung" umgepolt werden. Von Sozialdemokraten. Kommunisten und Liberalen gesäubert und de facto der SS unterstellt, gehen sie gegen politische Gegner und Juden vor.

Anfang der 40er-Jahre zählen 2,8 Millionen Männer und Frauen zu den uniformierten Polizeikräften Nun tragen sie jene "Ordnung" in das von Deutschland besetzte Europa. Besonders drastisch wird das am Beispiel Polens deutlich. Dort wütet besagtes Reserve-Polizeibataillon 101 mit vorauseilendem Gehorsam. Was umso mehr erstaunt, als sich außer Wohlauf kaum überzeugte Nazis in in dessen Reihen befunden haben sollen. Am 13. Juli 1942 lässt er in dem Ort Jozefow 1500 Juden zusammentreiben und erschießen. Es ist der Auftakt für eine beispiellose Blutspur.

Browning erklärt das exzessive Töten der ideologisch kaum vorbelasteten Vielen mit dem Einfluss, den die wenigen Überzeugungstäter ausübten. Sein Kollege Christoph Spieker nennt einen "negativen Gruppendruck". Hinzu kommt, so Browning, ein gewisser Gewöhnungseffekt. Das regelmäßige Morden verändert die Einstellung gegenüber der Tat und den Opfern. Diese extreme Form von Anpassungsfähigkeit macht plausibel, warum die meisten jener "Polizeisoldaten" sich nach dem Krieg in den Dienst der Demokratie stellen können. Ernsthaft büßen müssen nur Wenige. Auch Wohlauf und Heuser - der später aussagt: "Die Zahl der von mir erschossenen Juden ist mir nicht bekannt." - sitzen nur einen Bruchteil ihrer Strafe ab.

Abgesehen von den psychologischen Theorien zeichnet die recht knappe Produktion (die ARD zeigt eine ausführlichere Version, siehe Infokasten) die willigen Vollstrecker in überwiegend blassen Tönen. Die Täter-Porträts leben vor allem von der Rekonstruktion ihrer Verbrechen, denen die Autoren an Originalschauplätzen und Archiven in Polen, Deutschland und Frankreich nachgespürt haben. Die Dramaturgie ist über weite Strecken vorhersehbar, allzu oft kappen behäbige Historiker-Kommentare den Erzählfaden. Dieser wurde immerhin aus einer reichen Quellenbasis gesponnen: Unter anderem kommen Erinnerungsberichte, Prozessakten, Filmausschnitte und Fotos zum Zug.

Wenn auf die "Kooperation mit der Deutschen Hochschule der Polizei" verwiesen wird, drängt sich erst recht der Eindruck auf, das Drehbuch folge dem Primat der Pädagogik, anstatt ästhetisch anspruchsvoll von einer viel diskutierten Materie erzählen zu wollen. Andererseits ist der zivilisatorische und moralische Bankrott einer Gesellschaft - darunter fällt gewissermaßen auch das juristische "Nachspiel" - in der gerafften Darstellung allgegenwärtig. Im Sinne dieses Lerneffekts erfüllt der Film seinen Zweck.

Hitlers Polizei (D 2010), Regie: Frank Gutermuth, Holger Hillesheim, Sebastian Kuhn, Wolfgang Schoen. Länge: 52 Minuten. Der Film läuft am Mittwoch, dem 23. März, ab 20.15 auf Arte. Der RBB wiederholt ihn am 29. März um 10.10 Uhr. Die ARD zeigt eine zweiteilige Langfassung der Dokumentation. Teil 1 wird am Mittwoch, dem 30. März um 23.30 ausgestrahlt.

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