Kultur

„Free Lunch Society“: Die Zukunft des Grundeinkommens hat begonnen

Ist das bedingungslose Grundeinkommen das Allheilmittel, um soziale Schieflagen im digitalisierten Wirtschaftsleben zu beheben? Die Dokumentation „Free Lunch Society“ offenbart dazu eine klare Haltung.
von ohne Autor · 2. Februar 2018
Free Lunch Society
Free Lunch Society

Christian Tods Dokumentation wirft eine Reihe von Fragen zur ökonomischen und sozialen Struktur hochentwickelter Gesellschaften auf. Zum Beispiel: Warum leisten wir uns Armut, obwohl wir Güter im Überfluss produzieren? Formuliert wird sie von Götz Werner, dem bekannten Drogeriemarktketten-Gründer. Seit Jahren wirbt der Milliardär leidenschaftlich dafür, in Deutschland ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Nicht nur als Instrument zur Armutsbekämpfung, sondern auch, um Menschen, von der, wie er es nennt, Bedrohung durch den Arbeitsplatz zu befreien und so eine wie auch immer geartete Selbstentfaltung frei von Zwängen zu ermöglichen.

Optimistische Note

Werner und andere Befürworter werden hierzulande schnell als Spinner abgetan. Das Vorhaben ist auch innerhalb des linken politischen Lagers umstritten. Allerdings wurde ein entsprechendes Experiment im schwarz-grün-gelben Koalitionsvertrag von Schleswig-Holstein festgeschrieben. Es bewegt sich also etwas.

Das entspricht ganz der optimistischen Note von „Free Lunch Project“. Inspiriert von der Science-Fiction-Serie „Star Trek“, liegt die Erzählperspektive im 24. Jahrhundert. Und die freundliche Stimme gibt uns zu verstehen: Die Zukunft des bedingungslosen Grundeinkommens hat bereits begonnen. Weltraumaufnahmen von der Erde legen nahe, dass Veränderungen anstehen, die die Welt, wie wir sie kennen, auf den Kopf stellen. Das ist kokett und pathetisch zugleich, entspricht aber dem festen Glauben des Regisseurs an diese soziale Wohltat.

Investition in die Zukunft

Dies Umschreibung greift, folgt man der Darstellung seiner Gesprächspartner, ohnehin viel zu kurz. Sie sehen darin eine Investition in die Zukunft: zur Sicherung des kreativen und altruistischen Potenzials ganzer Gesellschaften, aber auch der Kaufkraft. Schließlich, so der allgemeine Tenor, übernehmen in Zeiten der Industrie 4.0 Roboter immer mehr Aufgaben der Menschen. „Die Mittelschicht zerbricht“, warnt der amerikanische Unternehmer und Umweltschützer Peter Barnes. Jenes Grundeinkommen sei eine naheliegende Lösung.

Der österreichische Filmemacher zeigt, was vor allem Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens erstaunen dürfte: In vielen Ländern wurde und wird diese Transferleistung bereits erprobt, wenn auch unter verschiedenen Bedingungen. Ausgerechnet im Mutterland des Turbokapitalismus, den USA, werden Menschen seit Jahrzehnten sozusagen allein dafür bezahlt, dass sie existieren. Genauer gesagt: Im Bundesstaat Alaska bekommt jeder Einwohner eine Zuwendung aus einem Topf, den die Erdölindustrie als Kompensation für den Raubbau an der Natur füllt. Zeitlich begrenzte Modellvorhaben gab es auch in Kanada und Namibia.

Offene Fragen

Im Film ist zu erleben, wie sich Menschen aus all diesen Ländern für eine gemeinsame Idee begeistern. Doch ist sie allein deswegen schon sinnvoll? Warum wurden die Experimente mit der „Sofortrente“ wieder beendet? Zu den Schwächen, wenn nicht gar Risiken des bedingungslosen Grundeinkommens sagt diese Dokumentation herzlich wenig. Kritiker sprechen bereits von einem „Werbefilm“. Der Vorwurf geht zu weit: Zwar wird manches überspitzt, jedoch versucht Tod nicht, sein Publikum zu manipulieren.

Wohl aber atmet das Ganze die Begeisterung für eine Utopie. Deren Geschichte wird mit einer ebenso spielerischen wie raffinierten, mitunter gar epischen Bildsprache ausgebreitet, ergänzt durch Gesprächssequenzen. Auch der Unternehmer Daniel Häni kommt ausführlich zu Wort. In einem weiteren kapitalistischen Musterland, nämlich der Schweiz, trug er dazu bei, eine Volksabstimmung über das bedingungslose Grundeinkommen auf den Weg zu bringen. Das Votum fiel aus Hänis Sicht allerdings enttäuschend aus.

„Free Lunch Society – Komm, komm Grundeinkommen“ (Österreich/Deutschland 2017), ein Film von Christian Tod, mit Götz Werner, Peter Barnes, Daniel Häni, 95 Minuten, ab sofort im Kino

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