lia und Sirin, sechs Frauen aus Ost- und Westdeutschland, repräsentieren im neu erschienenen Buch der Soziologin Jutta Allmendinger "Verschenkte Potenziale" jene 5,6 Millionen Frauen unter 60 Jahren, die das Erwerbsleben schon seit längerer Zeit unterbrochen haben - zum Beispiel wegen Kindererziehung.
Ungleichheit der Geschlechter
Allmendinger zeichnet die Lebensläufe dieser Frauen nach, zeigt die Ungleichheit der Geschlechter im Beruf und nennt Ursachen ihrer Erwerbsunterbrechung wie das Steuersystem, das mangelnde
Angebot an Kinderbetreuung, die geringe Qualifikation - besonders bei Älteren und Migrantinnen - aber auch geschlechtsspezifische Berufswahl und geschlossene Arbeitsmärkte. Die Armut im Alter ist
als Folge oft programmiert.
Zu wenige Frauen schaffen den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben. Allmendinger prüft die Angebote der Arbeitsagentur und das Aktionsprogramm "Perspektive Wiedereinstieg" der Bundesregierung
und deckt - bei allen staatlichen Anstrengungen - immer wieder allzu festsitzende Wertvorstellungen auf: Das Bild vom Mann als Ernährer der Familie ist zu stark in den Köpfen verankert.
Wandel als Chance
Die steigende Anzahl der Älteren und der Fachkräftemangel machen deutlich, dass wir auf die beruflichen Potenziale der Frauen nicht mehr verzichten dürfen. Der demografische Wandel wird zur
Chance - für die Besserstellung der Frau im Beruf und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Das Buch ist politisch hoch relevant. Verschenken wir die Potenziale der Frauen, hat dies weitreichende Folgen für die Gesellschaft. Es besteht Veränderungs- und Handlungsbedarf in den
Familien, der Wirtschaft und der Politik. All das müssen wir beherzt und rasch anpacken.
Ulla Schmidt ist Bundesministerin für Gesundheit a.D.
Jutta Allmendinger: Verschenkte Potenziale?
Lebensverläufe nicht erwerbstätiger Frauen
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2010,16,90 Euro,
ISBN 978-3-593-39266-0