Kultur

Fotoausstellung in Bonn: Als das Ruhrgebiet noch politisch war

Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn präsentiert die Ausstellung „Unser Leben – Soziale Bewegungen und Arbeitskämpfe im Ruhrgebiet 1965-1989“. Sie zeigt, dass es damals nicht nur um Arbeitsplätze ging.
von Renate Faerber-Husemann · 27. April 2016

Es ist noch keine fünfzig Jahre her und doch hat man beim Betrachten der wunderbaren Schwarzweiß-Bilder des Fotografen Klaus Rose das Gefühl, in eine völlig andere Welt einzutauchen. „Unser Leben – Soziale Bewegungen und Arbeitskämpfe im Ruhrgebiet 1965-1989“ heißt die Ausstellung, die bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn zu sehen ist: Dicht hängt der Smog noch in den 70er Jahren über dem Ruhrgebiet.  „Alle Kinder hatten damals Pseudo-Krupp“, sagte der Autor und IG-Metaller Udo Achten beim Gang durch die Ausstellung.

Mit Härte geführte Auseinandersetzungen

Viele dieser Bilder wirken lange nach. Zum Beispiel das Porträt eines Bergmanns aus den 60er Jahren: hager, eingefallene Mundwinkel, tief liegende Augen, die Erschöpfung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Oder in den späten 70er Jahren, also mitten im Strukturwandel, als viele traditionelle Arbeitsplätze verschwanden, neue noch nicht da waren: Da trägt ein junges Mädchen ein selbst gemachtes Plakat: „15 und schon arbeitslos, die Sauerei ist riesengroß“.

Die Ausstellung zeigt vor allem, wie politisch das Ruhrgebiet war: Junge Leute mit entschlossenen Gesichtern und Gitarren unter dem Arm demonstrierten in den 60erJahren gegen den Vietnamkrieg. Ältere protestierten unter riesigen Transparenten gegen die Notstandsgesetze. Was man alles vergessen hat, denkt man beim Betrachten der Bilder. Wer erinnert sich noch an den „Roten Punkt“? Da ging es um mit Härte geführte Auseinandersetzungen wegen geplanter Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr. Die Bilder dazu zeigen aber auch, mit wie viel Witz die Gegenwehr stattfand.

Gegen Willy Brandts Ostverträge

Sehr viel ernster ging es dagegen in den Zeiten der Friedensbewegung zu. Das zeigt ein Foto aus den frühen 80er Jahren: Fast nur Frauen, ältere zumeist, die wohl als Kinder oder Jugendliche den Krieg noch selbst erlebt hatten, bilden in Duisburg eine „Menschenkette für den Frieden“. Aber es gibt auch die heiteren Bilder vom Alltag in der Schule oder von Kindern beim Toben zwischen den Häusern. Keine Spur von Markenklamotten, stattdessen knappe, kurze Lederhosen mit aufgenähten Herzchen. Die Älteren werden sich daran noch erinnern. Und es gibt die ersten „Oben ohne“- Fotos aus dem Schwimmbad, im katholischen Ruhrgebiet damals sicher eine Revolution.

Am Ende der Ausstellung hält ein beklemmendes Foto die Besucher fest: Ältere Männer, adrett in Hut und Mantel und mit Fackeln in den Händen  laufen unter einem Transparent mit dem Text: „Verzicht ist Verrat“. Da ging es gegen Willy Brandts Ostverträge. Die Stimmung auf diesem Bild macht noch heute Gänsehaut, weil sich Vergleiche mit den Pegida-Aufmärschen aufdrängen, auch wenn man da heute statt Hut und Mantel eher wattierte Jacken trägt.

Es ging um politische Gestaltung

Udo Achten und Knut Giesler führten in die Ausstellung ein. Giesler ist Bezirksleiter des IG-Metall-Bezirks Nordrhein-Westfalen. Ihm war wichtig: „Die Bilder zeigen, dass es nicht nur um Arbeitsplätze ging, sondern um politische Gestaltung. Die Arbeiterbewegung stand immer mit an der Spitze von sozialen Bewegungen und politischen Protesten.“ Und er fragte: „Wie sähe eine Welt ohne Gewerkschaften wohl aus? Wie viele Wochenstunden müssten die Menschen schuften? Die Arbeiter waren einst Spielball des Kapitalismus’. Früher streikte man für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, heute gegen TTIP. Aber immer noch auch für faire Arbeitsverhältnisse und Umverteilung.“ Passende Sätze an diesem 26. April, dem Tag, an dem die ersten Warnstreiks die Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst begleiteten.

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Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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