Kultur

Forschen statt verzichten

von Carl-Friedrich Höck · 10. Oktober 2012

Eine Politik der Nachhaltigkeit durchsetzen, ohne die Wirtschaft zu ruinieren – ist das überhaupt möglich? Ja, meinen Edelgard Bulmahn und Ernst Ulrich von Weizsäcker. Am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse erklärten sie, wie es gelingen könnte.

Einige Minuten zu spät eilt Edelgard Bulmahn am Mittwoch auf das Podium. Ihre Bahn hatte Verspätung. „Ich wollte nachhaltig reisen“, scherzt sie. Der nachhaltige Weg ist eben nicht immer der einfachste. Aber die ehemalige Bildungs- und Forschungsministerin ist angekommen.

Nun kann sie also am Stand des vorwärts-Verlags ihr Buch „Schlüssel für die Zukunft. Innovationen sozial und ökologisch nutzen“ vorstellen. Dabei macht sie deutlich: Auch in der Wirtschaftspolitik muss man manchmal etwas mehr Zeit einplanen, wenn man den nachhaltigen Weg gehen will. Sie verweist auf die rot-grüne Energiewende 1999/2000. „Natürlich kam Widerstand von den großen Energieunternehmen“, sagt sie. Dennoch müsse man die Unternehmen in solche Projekte einbinden. Mittlerweile würden auch die großen Konzerne Strom aus Windkraft und Fotovoltaik anbieten. „Wenn man der Industrie Zeit gibt, dann stellt sie sich um“, sagt Bulmahn.

Weizsäcker: „Nachhaltigkeit braucht Innovation“

„Hervorragend“ sei Bulmahns Buch, meint Ernst Ulrich von Weizsäcker. Der Umweltforscher und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete stimmt dessen Grundaussage zu: Das Thema Nachhaltigkeit müsse stärker ins Zentrum gestellt werden. „Das geht nur durch Innovation, nicht indem wir den Gürtel enger schnallen.“ Wenn es gelinge, Ressourcen wie Wasser effizienter zu nutzen, würde die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger. Dadurch entstünden auch mehr Arbeitsplätze.

Heißt das, dass die Politik einfach nur abwarten muss, bis die Innovationen von selbst kommen? Nein, betont Bulmahn. „Die Entwicklungen in Wissenschaft und Technik sind kein Schicksal“ Wir selbst müssten uns entscheiden, in welche Richtung wir den technischen Fortschritt lenken wollen. Als Beispiel nennt Bulmahn den Kampf gegen das Kühlmittel FCKW, das früher zum Beispiel in Kühlschränken eingesetzt wurde. Anfang der 1970er Jahre entdeckten Wissenschaftler, dass FCKW stark klimaschädlich ist. „Das wurde erst nicht geglaubt, dann massiv bekämpft. Gleichzeitig wurde aber auch nach anderen Kühlmitteln geforscht“, sagt Bulmahn. 1987 verpflichteten sich viele Staaten mit dem Montrealer Protokoll, die Verwendung von FCKW stark einzuschränken, und setzten die Industrie so unter Druck. Heute ist FCKW weitgehend verboten – Kühlschränke gibt es trotzdem noch.

Fortschritt lässt sich mit Steuern lenken

Regulieren lasse sich die Entwicklung der Industrie auch mit Steuern, erklärt von Weizsäcker. So habe sich die schwedische Stahlindustrie modernisiert, nachdem die Regierung Steuern auf die Produktion von Stickoxiden erhoben habe, um das Waldsterben zu stoppen. Die Stahlindustrie habe sich daraufhin entgiftet.

Auch die Sozialsysteme könnten durch Steuern wieder nachhaltig gestaltet werden, sagt Bulmahn. „Wir finanzieren unsere soziale Sicherung über Arbeitskosten. Das sollten wir ändern“, fordert sie. Zumindest ein Teil davon müsse stärker über Steuern finanziert werden. Arbeit werde der Gesellschaft zwar auch in Zukunft nicht ausgehen, aber dazu gehöre zum Beispiel auch die Erziehung von Kindern. Die aber werde noch zu wenig wertgeschätzt, wie man an den Gehältern von Erziehern ablesen könne.

Info: Edelgard Bulmahn: Schlüssel für die Zukunft. Innovationen sozial und ökologisch nutzen. Vorwärts Buchverlag 2012, 168 Seiten, 10,- Euro, ISBN 978-3-86602-096-2.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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