Kultur

Filmtipp: Wie Lokaljournalist*innen versuchen, ihren Beruf zu retten

Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, bietet aber auch Chancen: Der Dokumentarfilm „Die letzten Reporter“ zeigt, wie Lokaljournalist*innen den radikalen Wandel ihres Berufs erleben und gestalten.
von ohne Autor · 25. Juni 2021
Lokalredakteurin Anna Petersen (2.v.l.) ist auch in digitalen Zeiten immer ganz dicht dran.
Lokalredakteurin Anna Petersen (2.v.l.) ist auch in digitalen Zeiten immer ganz dicht dran.

Gibt es in ein paar Jahren noch gedruckte Zeitungen? Wie funktioniert digitaler Journalismus auf dem platten Land? Gerade Lokaljournalist*innen leben seit Jahren mit Untergangsszenarien und der Herausforderung, sich neu zu erfinden. Viele Verlagsleitungen werben nach außen mit lokaler Kompetenz und verbreiten nach innen düstere Prognosen, wobei die Strategie für eine wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft oft diffus bleibt.

„Die letzten Reporter“ erzählt vom digitalen Wandel

Trotz dieser durchwachsenen Aussichten gibt es noch junge Menschen, die sich für den Lokaljournalismus, zumal in ländlichen Gegenden, entscheiden. Zum Beispiel Anna Petersen. Anfang Juni wurde die Redakteurin der „Landeszeitung“ aus Lüneburg mit Deutschlands wichtigster Auszeichnung für Zeitungsjournalist*innen, dem Theodor-Wolff-Preis, geehrt.

Petersen, Jahrgang 1993, ist eine der Protagonist*innen in „Die letzten Reporter“. Regisseur und Autor Jean Boué erzählt von drei Menschen, deren ganze Leidenschaft darin besteht, Menschen über das Geschehen in ihrer unmittelbaren Umgebung zu informieren und ihnen Orientierung zu geben. Es sind drei völlig verschiedene Persönlichkeiten mit ebenso unterschiedlichen Ansätzen. Gemeinsam stehen sie vor der Herausforderung eines rasanten Wandels in ihrer Branche. Wie gehen sie damit um?

Digitale Mehrarbeit wird verlangt

Erst wenn er auf dem Platz ist, kann das Spiel beginnen. Seit 25 Jahren ist Thomas Willmann Sportreporter bei der „Schweriner Volkszeitung“. Wochenende für Wochenende schlägt er sich auf Sportplätzen und in Turnhallen um die Ohren und füllt mit Berichten über die Topereignisse in der Region die Seiten. Doch irgendwann reicht dieser Einsatz nicht mehr. Plötzlich wird Digitales Storytelling verlangt. Willmann, etwa 50 Jahre alt, soll neben Texten und Fotos nun auch noch Smartphone-Videos vom Platz liefern und Beiträge online stellen. Die Verunsicherung in seiner Redaktion ist ebenso groß wie der Druck von oben.

Auch Werner Hülsmann verfolgt, wie sich sein Berufsbild ändert. Seit 30 Jahren veröffentlicht er eine Kultur- und Szene-Kolumne im Anzeigenblatt „Osnabrücker Nachrichten“. Seine Begeisterung für die Begegnung mit Menschen, das Kulturgeschehen vor Ort und für die Aufgabe, den Leser*innen geistige Orientierung zu stiften, ist ungebrochen. Doch der Arbeitsalltag wird zunehmend von anderen Dingen überlagert. Fast hat man den Eindruck, der umtriebige 65-Jährige und seine ausschließlich männlichen Kollegen etwa gleichen Alters kommen sich vor wie Fossilien. Manch eine Szene schmeckt nach Abschied.

Der volle Einsatz genügt nicht mehr

Und Petersen? Stakt über Äcker, um Bauern zu interviewen und nimmt sich auch sonst viel Zeit für die Menschen, über die sie berichtet. Ihre Empathie ist wohl auch ein Produkt ihrer Erfahrung, die sie seit ihrer Schulzeit als Lokaljournalistin aufgebaut hat. Es war eine bewusste Entscheidung, als Kind vom Land über das Leben auf dem Land zu schreiben. Auch diese vergleichsweise junge Fachkraft mit dem Blick fürs Soziale muss sich unter dem Primat von Online First neu beweisen.

Was die Zukunft des Lokaljournalismus betrifft, liefert „Die letzten Reporter“ wenig Antworten. Eine lautet: Auch künftig wird es des großen persönlichen Einsatzes, und zwar vor Ort bei den Menschen, bedürfen, wie er in diesem Film immer wieder zu erleben ist. Vielmehr geht es dem für den Deutschen Filmpreis nominierten Werk darum, zu zeigen, wie die Betroffenen die Transformation ihres Berufs erleben und wie sie die neuen Herausforderungen annehmen. Aus den Erzählungen der Protagonist*innen, die die Struktur des Ganzen vorgeben und einen Kommentar ersetzen, ergibt sich ein äußerst reflektiertes und vielschichtiges Bild.

Gelebte Demokratie in Gefahr

Der Reiz des Ganzen liegt aber auch darin, dass Humor und Atmosphäre, zumal  in der Bildsprache, nicht zu kurz kommen. Manch eine rein dokumentarisch eingefangene Situation am Spielfeldrand oder im Lokalparlament lässt uns schmunzeln. Und doch liegt über all dem eine beunruhigende Frage: Was wird aus dieser gerade auch politischen Öffentlichkeit, aus der gelebten Demokratie abseits des Rampenlichts, wenn ihr wichtigstes Forum, die lokalen Zeitungen, nicht die Kurve kriegen?

Info: „Die letzten Reporter“ (Deutschland 2020), ein Film von Jean Boué, mit Thomas Willmann, Anna Petersen, Werner Hülsmann u.a., 95 Minuten. Im Kino.

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