Kultur

Filmtipp „Waterproof“: Wie Klempnerinnen in Jordanien für Frauenrechte kämpfen

Emanzipation mit der Rohrzange: Der Dokumentarfilm „Waterproof“ zeigt, wie Frauen in Jordanien den Klempnerberuf entdecken und damit für ihre Selbstbestimmung eintreten.
von ohne Autor · 27. März 2020
Wassertank defekt? Kein Problem für Kawla, Aysha und Rehab.
Wassertank defekt? Kein Problem für Kawla, Aysha und Rehab.

In den Zeiten der Coronakrise geht die Film- und Kinowelt neue Wege. Kleine Filmverleihe wie Rise And Shine Cinema und Grandfilm starten Online-Vorführungen, um ihre aktuellen Produktionen unter die Leute zu bringen und um kleine unabhängige Kinos zu unterstützen. Auf der Plattform hilfdeinemkino.de werden Filmfans aufgerufen, zuhause Kinowerbung zu streamen, um damit ein Lichtspieltheater ihrer Wahl zu unterstützen. Und das sind nur einige Beispiele von vielen.

Für die Konservativen unglaublich

An die Kraft der Solidarität appelliert auch der Dokumentarfilm „Waterproof“, den Rise And Shine Cinema jetzt als Online-Stream anbietet. Das Anfang März im Kino gestartete Langfilm-Debüt der deutschen Regisseurin Daniela König befasst sich mit drei Frauen, die in Jordanien – zumindest aus Sicht des konservativen Mainstreams – etwas schier Unglaubliches tun: Sie arbeiten, und zwar als Klempnerinnen.

Eine der Protagonistinnen ist Kawla Al-Sheikh. Jordaniens allererste Klempnerin gründete vor einigen Jahren eine NGO, um auch anderen Frauen eine Ausbildung in dieser Handwerkssparte und damit wirtschaftliche Eigenständigkeit zu ermöglichen. Schließlich ist derlei Können in diesem extrem trockenen Land, wo die Menschen immer wieder Ärger mit undichten Leitungen und verstopften Wassertanks haben, stets gefragt. 

Witwe mit drei Kindern hat eigene Pläne

Die Erzählung beginnt zu einer Zeit, als Kawla ihren Abschied von der NGO plant, weil sie ein eigenes Ausbildungszentrum in der Hauptstadt Amman eröffnen will. Fortan versucht sie, ihre Kollegin und Freundin Aysha als Nachfolgerin zu gewinnen. Doch die verwitwete Mutter von drei Kindern hat ihre eigenen Pläne. Viel lieber möchte sie eine eigene Klempnerfirma aufbauen, auch um ihrem flügge gewordenen Nachwuchs besser unter die Arme greifen zu können.

Als sich Kawla wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten muss, wird nicht nur die Freundschaft der beiden Frauen auf eine harte Probe gestellt: Plötzlich stehen auch die NGO und ihre Erfolge im Zwielicht.

Film verliert nie Humor und Leichtigkeit

Trotz dieser Herausforderungen verliert der Film nie seinen Humor und seine Leichtigkeit. Die Tonalität des Ganzen wird mit einer Szene zu Beginn gesetzt. Kawla hält mit ihrem Wagen kurz am Straßenrand und zwei Frauen mit Mantel und Kopftuch huschen herbei. Es sind Aysha und Rehab, die Dritte im Bunde. Rein optisch haben die beiden Frauen mit ihrer Chefin, die ihre grell-blonden Haare offen trägt und sich auch sonst wenig um die Konventionen der Konservativen schert, nichts gemein. Doch während das Trio auf der Fahrt zum nächsten Einsatz lebhaft scherzt und lästert, spürt man, was diese unerschrockenen Handwerkerinnen zusammenhält.

Kawla und Co. tauchen ausschließlich bei Frauen auf, einen „fremden“ Mann zuhause aufzusuchen, wäre nicht schicklich. Das soll aber nicht als Kuschen vor dem Patriarchat verstanden werden: Jedes Mal, wenn Kawla, Aysha und Rehab routiniert mit der Rohrzange hantieren, scheinen sie an dem, was sie tun, zu wachsen. Weil sie mit jedem Handgriff eine Nische verteidigen, die vor allem für viele Männer noch immer ein Affront ist. Und es scheint, als würde sich von bisschen diesem Geist auf ihre Auftraggeberinnen übertragen. 

Ein atmosphärisch dichtes Ganzes

Der besondere Reiz dieser Doku liegt darin, dass sie wie ein Spielfilm montiert wurde. Die Zuschauer*nnen sind sofort mittendrin und folgen den drei Klempnerinnen durch ihren bewegten Alltag. Interviewszenen gibt es nicht. Zwischendurch muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, keinem fiktionalen Format zu folgen. Dass liegt auch daran, dass der Schnitt aus den drei Perspektiven ein atmosphärisch dichtes Ganzes formt, wenngleich der Erzählton stets unaufgeregt und fast schon beiläufig bleibt.

Männern bleibt hierbei nur der Part als – immerhin erstaunlich wohlwollende – Randfigur. Da wäre zum Beispiel der Fahrer eines Wassertransporters, der eine zweite Erzählebene schafft. Das, was er auf der Straße erlebt, ist auch als Kommentar zur Situation der Gruppe um Kawla gedacht. Für die Frauen geht es immer wieder auch darum, sich zu beweisen, dass auch mit 40 und darüber hinaus ein Neuanfang möglich ist.

Reizvolles Spiel mit Gegensätzen

Die vorwiegend weibliche Perspektive von „Waterproof“ unterstreicht das feministische Engagement der Regisseurin. Eingerahmt und so erst Recht zur Entfaltung gebracht wird es von einem äußerst gelassenen Realismus, dem Spiel mit Gegensätzen und reichlich Witz

Info:

„Waterproof“ (Deutschland 2019), Buch und Regie: Daniela König, Schnitt: Alex Bakri, mit Kawla Al-Sheikh u.a., 88 Minuten.

Hier geht es zur Online-Vorführung: 

https://vimeo.com/ondemand/waterproof

Weitere Infos zum Film:

iseandshine-cinema.de/portfolio/waterproof

 

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