Kultur

Filmtipp „Of Fathers And Sons“: Zu Gast beim Heiligen Krieger

Wie bereitet ein syrischer Dschihadist seine Söhne auf die Zukunft vor? Der Dokumentarfilm „Of Fathers And Sons“ liefert Eindrücke von einer ebenso isolierten wie gewaltverliebten Welt.
von ohne Autor · 22. März 2019
Anstelle von Mathe lernen Kinder das Kriegshandwerk.
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Um Fanatismus wirklich zu begreifen, müsste man den Menschen wohl in die Köpfe schauen können. Man kann aber versuchen, ihnen möglichst nahezukommen, will man ihre Intentionen und die besonderen Umstände, unter denen sie sich formiert haben, ergründen. Bei islamistischen Kämpfern in Syrien ist dies zweifellos ein besonders gefährliches Unterfangen. Der syrische Filmemacher Talal Derki hat das Wagnis auf sich genommen.

Sein Werk „Of Fathers And Sons“ erzählt vom Alltag von Clan-Chef Abu Osama und seiner Großfamilie im Nordwesten des Landes. Abu Osama ist ein wichtiger Kommandeur der islamistischen Al-Nusra-Front, die gegen das Assad-Regime kämpft. Außerdem hat er sich einen Namen beim Entschärfen von Bomben und Minen gemacht. Für ihn gibt es nichts Wichtigeres, als seine Söhne ebenfalls zu Kämpfern zu machen. Sei es durch seine Erziehung oder durch den Drill in Camps der salafistischen Dschihadisten. Hinter all dem steht das Ziel, ein Kalifat zu errichten.

Fixiert auf Gewalt

Was bedeutet es für die Entwicklung eines Kindes, in dieser bis heute erbittert umkämpften Region groß zu werden? Derki zeigt, wie der Kult um Krieg und Gewalt schon bei den Jüngsten alles Denken und Fühlen überlagert. „Papa, wir haben dem Vogel den Hals durchgeschnitten, so wie du es neulich bei dem Mann gemacht hast“, plappert einer von Abu Osamas Söhnen ganz unbekümmert. Wirkliche Religiosität wird da schon fast zur Nebensache, in diesem Milieu wirkt der Islam eher wie die ideologische Zierde einer auf Gewalt und Unterdrückung fixierten Männerwelt, die die Jungen von frühester Kindheit an prägt. Scheinbar teilnahmslos, wenn nicht gar widerwillig murmeln sie in dem karg eingerichteten Haus Koranverse vor sich hin.

Für diesen Dokumentarfilm, der tiefe Einblicke wie nie in die abgeschottete Welt selbsternannter Gotteskrieger bietet und für den Oscar nominiert wurde, hat sich Derki, aufgewachsen in Damaskus und mittlerweile in Berlin beheimatet, großen Gefahren ausgesetzt. Vermutlich wären die Umstände des Drehs einen eigenen Film wert. Zwischen Sommer 2014 und September 2016 begleitete der vor Ort nur von einem Kameramann unterstützte Regisseur, der sich als Kriegsreporter und Salafisten-Anhänger ausgegeben hatte, das Leben von Abu Osama und seinem Nachwuchs. Es waren 300 Tage unter ständiger Tarnung. Um das Vertrauen der Milizionäre zu gewinnen, halfen Kontakte, die Derki zuvor für seine ebenfalls preisgekrönte Dokumentation „Rückkehr nach Homs“ in dem Bürgerkriegsland geknüpft hatte.

Mit seiner aktuellen Regiearbeit versuchte Derki, einen persönlichen Albtraum zu bewältigen: den Siegeszug der Extremisten. Und zwar nicht nur in seinem Geburtsland. „Of Fathers And Sons“ bietet aber viel mehr als abgefilmten Fanatismus. Der Film zeigt ebenfalls, wie Kinder auch in dieser in mehrfachem Sinne geschundenen Region einfach nur Kinder sein wollen. Und sei es, indem sie sich in einem improvisierten Schwimmbecken vergnügen. Natürlich ist dies nur den männlichen Heranwachsenden gestattet. Mädchen und Frauen gelten dort als minderwertig und werden weggesperrt, deswegen bekam Derki sie kaum beziehungsweise gar nicht vor die Kamera. Umso bedrückender ist es, wenn man erlebt, wie Abu Osamas Söhne in dieser Hinsicht bereits völlig indoktriniert sind und dies auch hemmungslos zeigen.

Liebevoller Terrorist

Wir erleben aber auch, wie sich das Familienoberhaupt, das vorgibt, seinen Lieben nichts sehnlicher als den Märtyrertod zu wünschen, tatsächlich als liebevoller Vater gibt. Wie das mit seiner radikalen bis pathetischen Kämpfer-Rhetorik zusammenpasst, kann indes auch Derki nicht erklären. Wohl aber zeigen sich die tiefen Spuren der Gewalt, die auch der Terror von Assads Soldaten und Geheimdienstlern bei den Menschen in Syrien hinterlassen haben. Ein Kontext, der sich auf viele andere Gegenden dieser Welt übertragen lässt.

Es ist schwierig, in diesem subtil bebilderten Trip durch eine Welt des Schreckens, in der die Gewalt im Hintergrund mitschwingt, anstatt offen gezeigt zu werden, so etwas wie Hoffnung auszumachen. Im Mittelpunkt der Handlung stehen die beiden ältesten Söhne von Abu Osama. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten waren Ayman und Osama, die nach Al-Qaida-Größen benannt wurden, zwölf und 13 Jahre alt. Während der eine leichte Zweifel an dem Wahnsinn um ihn herum erkennen lässt, scheint der Weg des anderen vorgezeichnet zu sein.

Info: „Of Fathers And Sons – Die Kinder des Kalifats“ (Deutschland, Libanon, Syrien, Katar 2017), ein Film von Talal Derki, 99 Minuten, OmU, ab zwölf Jahre

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