Kultur

Filmtipp „The Death of Stalin“: Die lächerliche Seite der Macht

Nach dem Ende des Diktators beginnt ein absurdes Gerangel um die Nachfolge: Die Groteske „The Death of Stalin“ legt die Mechanismen der Macht offen, nimmt historische Details aber nicht so genau.
von ohne Autor · 29. März 2018
Stalin ist tot: Was nun, Genossen?
Stalin ist tot: Was nun, Genossen?

Da liegt er nun bewusstlos in einer Urinlache, der „Vater der Völker“ Russlands. Niedergestreckt von einem Schlaganfall. Niemand weiß, ob Stalin tot oder lebendig ist. An diesem Tag, den sie lange herbeigesehnt, und doch gefürchtet haben, rennen die herbeigeeilten Genossen aus dem Politbüro wie aufgescheuchte Hühner in Stalins Datscha umher.

Kampf um die Nachfolge Stalins

Anstatt einen Arzt zu rufen, ergehen sie sich in Selbstmitleid oder schmieden Ränke, um die Macht neu zu verteilen. Gute Mediziner sind in Moskau ohnehin rar, schließlich waren die meisten von ihnen wenige Jahre zuvor einer Verhaftungswelle zum Opfer gefallen

Josef Stalins Ableben vor 65 Jahre zeitigte Reaktionen, die heute wohl allenfalls in Nordkorea denkbar wären. Ob in Städten, Dörfern und Lagern: Überall versammelten sich Trauernde. Wer konnte, pilgerte zum aufgebahrten Leichnam nach Moskau. Von außen betrachtet, schien das Land in eine Schockstarre gefallen zu sein. Tatsächlich tobte hinter den Kremlmauern der Kampf darum, nach dem Abtritt des roten Imperators das Machtvakuum zu füllen.

Das Schäbige und Perfide des innersten Zirkels

Um dieses Hauen und Stechen geht es in „The Death of Stalin“. Die Urinlache gab es tatsächlich. Wer ein im historischen Sinne authentisches Drama erwartet, liegt allerdings falsch. Wie schon die französische Comicvorlage nimmt es auch der britische Regisseur und Co-Drehbuchautor Armando Iannucci, bekannt durch Comedy- und Satireformate für die BBC, mit dem historisch verbrieften Geschehen nicht so genau. Was sich während der Monate zwischen Stalins Tod und der Hinrichtung von Geheimdienstchef Lawrenti Beria, der zeitweise die Herrschaft an sich gerissen hatte, abgespielt hat, wird anhand weniger Tage abgehandelt.

Vielmehr geht es darum, das Schäbige und Perfide des innersten Zirkels einer menschenverachtenden Polit-Aristokratie zu offenbaren, deren Mitglieder nichts als den persönlichen Vorteil im Blick haben. Auch wenn dieses Vorgehen bei Persönlichkeiten der Zeitgeschichte grenzwertig erscheinen mag, zumal, weil die fiktionalen Elemente für Menschen, die mit der Thematik wenig vertraut sind, nicht immer offensichtlich sind.

Film in Putins Russland verboten

Mittels der Übertreibung und Karikierung schafft dieser Film durchaus Bewusstsein für den Irrsinn und die Arroganz der Macht, die Ianucci auch in der Gegenwart verortet. Etwa in Russland, wo der Film wegen des nicht eben ehrfürchtigen Blicks auf den unter Putin wieder salonfähig gewordenen „Generalissimus“ nicht gezeigt werden darf.

Figuren wie besagter Beria, Nikita Chruschtschow, Grigori Malenkow und Wjatscheslaw Molotow entwickeln dementsprechend ein Eigenleben, kommen andererseits aber auch dem, was über sie überliefert ist, ziemlich nahe.

Komödie und Drama zugleich

Im Zentrum dieser Kreuzung aus Komödie und Drama stehen Beria und Chruschtschow. Letzterer wird ab 1956 an der Spitze von Staat und Partei stehen. Im jovialen Genossen-Habitus lachen sie gemeinsam über derbe Witze, rangeln miteinander oder beschimpfen sich. Jedem ist klar, dass sich hier ein Konflikt anbahnt, an dessen Ende nur einer von beiden überleben wird.

Na ja, fast jedem: Grigori Malenkow, der chronisch überforderte und fahrige neue Generalsekretär, konzentriert sich lieber auf adrette Anzüge und stolpert wie ein Statist durch die Szenerie. Nicht nur er hätte kaum damit gerechnet, dass sich ausgerechnet jener clownhafte Chruschtschow, der in Pyjama und Anzug zum sterbenden Stalin geeilt war, zum eiskalten Intriganten, wenn nicht gar Henker, mausern würde!

Humorvoll und spannend

Zug um Zug nimmt das Intrigenkarussell Fahrt auf. Das gilt auch für die Erzähltechnik, die bei all dem schrägen Humor ein hohes Spannungslevel hält. Pointen und Brutalität werden beiläufig eingestreut und wirken gerade deswegen umso stärker. Amüsantes und Schreckliches folgt schnörkellos aufeinander oder spielt sich parallel ab.

So werden am Rande eines ausgelassenen Dinners beim „Chef“ Todeslisten abgesegnet und wenige Augenblicke später in die Tat umgesetzt. Ein betagter Dirigent wird ins Rundfunkstudio beordert, um ein Konzert zu leiten, das für Stalin aufgezeichnet werden soll. Als es an seiner Wohnungstür klopft, rechnet er mit dem Schlimmsten. Doch dann sieht man, wie der Geheimdienst nicht ihn, sondern seine Nachbarn abführen.

Unerschrockene Regie, herausagende Comedystars

Der hemmungslos subjektive, aber keinesfalls klamaukige Ansatz von „The Death Of Stalin“ mag angesichts der Thematik eine Gratwanderung sein. Die Leistung all der britischen und amerikanischen Comedystars, aber auch die unerschrockene Regie verleihen dem Film jedoch eine ganz eigene Größe.

Info:„The Death of Stalin“ (England/Frankreich/Belgien 2017), nach dem Comic „La Mort de Stalin“, Regie: Armando Iannucci, mit Steve Buscemi, Simon Russell Beale, Jeffrey Tambor, Michael Palin u.a., 107 Minuten

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