Filmtipp „Bombshell“: Die dunkle Seite der glitzernden Nachrichtenwelt
Gut anderthalb Jahre, bevor die MeToo-Bewegung in den USA ihren Anfang nahm, erlebte das Land einen aufsehenerregenden Sexismus-Skandal. In dessen Zuge wurde der wohl einflussreichste Medienboss des Landes zu Fall gebracht: Roger Ailes, der Gründer und CEO von Fox News, dem reichweitenstärksten und erzkonservativen US-Nachrichtenkanal. Ausgelöst wurde das Ganze durch die frühere Fox-News-Moderatorin Gretchen Carlson, die Ailes sexuelle Belästigung vorwarf. Am Ende verlor der Trump-Intimus seinen Job und Carlson erhielt eine Millionenabfindung. Dieser Ausgang der Dinge war nicht unbedingt zu erwarten.
Für drei Oscars nominiert
Der Skandal um Ailes war der Auftakt für viele weitere Enthüllungen, man denke nur an den Filmproduzenten Harvey Weinstein. Das Wissen um diese Entwicklung schwingt mit, wenn man sich „Bombshell“ anschaut. Der für drei Oscars nominierte Film rekonstruiert die Geschichte um Ailes und Carlson, allerdings aus verschiedener Perspektive. Denn dass Fox-News-Eigentümer Rupert Murdoch den Quotenbringer Ailes fallen ließ, liegt auch daran, dass sich weitere Frauen den Vorwürfen angeschlossen hatten.
Im Mittelpunkt stehen drei Frauen, deren Geschichten miteinander verwoben sind, ohne dass sie sich besonders nahestehen. Auch, weil sie sich auf unterschiedlichen Stufen der Karriereleiter befinden. Carlson, dargestellt von Nicole Kidman, ist der Motor des Geschehens, wenn auch häufig aus dem Off. Eines Tages moderiert sie ihre Nachmittagssendung ohne Make-up. Damit will sie Frauen ermutigen, sie selbst zu sein. Es ist auch ein Protest gegen den Grundsatz des Senders, Moderatorinnen vor allem wegen ihrer Äußerlichkeiten – was meist bedeutet: lange Beine und blonde Haare – einen Sendeplatz zu verschaffen. Das ist zu viel für den kontrollwütigen Ailes. Noch am gleichen Tag steht Carlson auf der Straße.
Trump ätzt vor laufenden Kameras gegen Frauen
Zur gleichen Zeit gerät auch Starmoderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) unter Druck. Zur Erinnerung: Wir schreiben das Jahr 2016. Der damalige Präsidentschaftskandidat Trump ätzt vor laufenden Kameras in nie dagewesener Weise gegen alles und jeden, vor allem gegen Frauen. Kelly macht das in einem Interview zum Thema. Kurz darauf erlebt die Anchorwoman einen Shitstorm und wird bedroht. Ailes hat sie stets gefördert, doch jetzt ist sein Rückhalt halbherzig. Schließlich garantiert Trump gute Quoten. Auch Kelly beginnt, sich Fragen zu stellen. Erst recht, als sie von Carlsons Beschuldigungen gegen Ailes erfährt.
Und da wäre noch Kayla Pospisil (Margot Robbie), der einzige fiktive, aber durchaus repräsentative Charakter des Trios. Die christliche Fundamentalistin bringt nicht nur die richtige Einstellung, sondern aus Fox-News-Sicht auch die passende Optik mit, um es vor der Kamera weit zu bringen. Als Carlson vor dem Aus steht, scheint es für die junge Frau, die sich bislang als Hilfskraft in der Bildregie verdingen musste, richtig loszugehen. Mit einer Mischung aus Naivität und Ehrgeiz schafft sie sich Zutritt zu dem Ort, wo Moderatorinnen-Karrieren gefördert oder zerstört werden: Dort, in Ailes' Büro, muss sie aber auch erfahren, was es bedeutet, wenn der Herr über den Sender Loyalität einfordert.
Überzeugungen kommen ins Wanken
Als Carlsons Klage und die damit verbundenen Vorwürfe öffentlich werden, steht der Sender unter Schock. Kellys und Pospisils Überzeugungen kommen ins Wanken: Sollen sie sich mit ihrer Ex-Kollegin solidarisieren und damit mit der sexistischen Leitkultur ihres Arbeitgebers, die sich nicht nur in Übergriffigkeit äußert, brechen? Oder konzentrieren sie sich auch weiterhin allein auf ihre Karriere?
„Bombshell“ liefert einen beklemmenden Einblick in eine Welt organisierten Machtmissbrauchs, wie man ihn heutzutage kaum für möglich hält. Doch diese Zustände sind real: Die Aussagen zahlreicher betroffener Frauen aus dem Fox-Imperium flossen in das Drehbuch ein. Dank aufwendiger Maskenbildner-Kunst und der entsprechenden Kostüme findet diese auf Vordergründigkeit ausgelegte Welt eine beeindruckende Entsprechung: Wieder einmal stellt Charlize Theron ihre extreme Wandelbarkeit unter Beweis, denn als barbiehafte Nachrichtenfrau ist sie zunächst nicht wiederzuerkennen. Nicht nur für sie gilt, dass der innere Wandel der Figur auch nach außen sichtbar wird.
Ein weiter Weg von der Anpassung zur Rebellion
Allerdings gelingt es keiner Protagonistin, wirklich Empathie für sie zu empfinden. Das liegt darin, dass sie meist ebenso glatt daherkommen wie die Welt, in der sie arbeiten. Bruchstellen, die eine Figur erst spannend machen, kommen viel zu kurz. Schließlich sind die realen Megyn Kelly und Gretchen Carlson durch populistische und reaktionäre Auslassungen bekannt geworden, die voll auf der Linie des Senders liegen. Und damit auch auf der von Trump. All das wird aber nur angedeutet. Im echten Leben ist es ein weiter Weg von der Anpassung zur Rebellion, in „Bombshell“ wirkt dies ein bisschen zu elegant. Was auch daran liegt, dass die an sich reizvolle Dreifach-Perspektive gerade dann an Tiefe verliert, wenn das Drama auf seinen Höhepunkt zusteuert.
Info: „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ (USA /Kanada 2019), Regie: Jay Roach, Drehbuch: Charles Randolph. mit Charlize Theron, Nicole Kidman, Margot Robbie, John Lithgow u.a., 109 Minuten, FSK: ab zwölf Jahre
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