Kultur

Filmtipp: Am Ende ein Fest

Kann Sterbehilfe komisch sein? Ja, wie die Komödie „Am Ende ein Fest“ zeigt. Mit spröden Humor und viel Situationskomik erzählt sie von einem Dienst an einem todkranken Freund, der nach einigen technischen Pannen zum Selbstläufer wird.
von ohne Autor · 25. September 2015
Am Ende ein Fest
Am Ende ein Fest

Die Sterbehilfe zählt zu den wenigen verbliebenen Themen, an denen sich in Wohlstandsgesellschaften politische Grundsatzdebatten entzünden. In Deutschland ringen die Parteien seit Jahren um eine Neuregelung, noch in diesem Herbst wird eine Entscheidung des Bundestages erwartet. In Israel ist aktive Sterbehilfe verboten. Orthodoxe Juden verachten sie als eine Form des Selbstmords. Und deren Einfluss wächst seit einigen Jahren: nicht nur in der Regierungspolitik, sondern auch in der Gesellschaft.

Vom Recht auf Selbstentfaltung

„Denn gegen deinen Willen wirst du geformt, gegen deinen Willen wirst du geboren, gegen deinen Willen lebst du dein Leben.“ So steht es im Talmud. Der Satz unterstreicht die Allmacht eines höheren Wesens und damit – folgt man dieser Logik – das Tragische am menschlichen Dasein. „Am Ende ein Fest“ dreht sich darum, dieses Joch abzuschütteln. Der Schauplatz ist ein komfortables Altersheim am Rande Jerusalems. Eine Gruppe von Senioren muss mit ansehen, wie ihr Freund Max dahinsiecht. Sein einziger Wunsch ist, der Bettgruft mit Schmerzen, Schläuchen und Windeln zu entkommen. Seine Frau Yana wendet sich hilfesuchend an die Freunde. Doch keiner kann sich entschließen, den 72-Jährigen zu töten. Da hat Yehezkel die rettende Idee: Der Tüftler, der seinen Mitmenschen schon mit allen möglichen Gerätschaften Marke Eigenbau den Alltag erleichtert hat, entwickelt eine Maschine, mit dem sich Max die Überdosis Beruhigungsmittel selbst, und zwar per Knopfdruck, verabreichen kann.

Inspiriert durch frühere Pflegefälle im eigenen Umfeld, erzählen die israelischen Filmemacher Sharon Maymon und Tal Granit von Menschen, die nicht nur Gutes tun wollen und sich mit den moralischen Folgen herumplagen – Yehezkels Frau Levana verweist darauf, dass der gelähmte Forscher Stephen Hawking mit nur einem Finger das Universum beschrieben habe, was beklagt sich Max überhaupt? Indem sie nach einem einfachen und diskreten Weg suchen, den Heimnachbarn von seinen Leiden zu erlösen, kämpfen sie auch für mehr Selbstbestimmung für ihresgleichen: nicht nur als Autonomie gegenüber der Heimleitung oder den Ärzten, sondern als umfassendes Recht auf Selbstentfaltung – die Sexualität inbegriffen.

Ist Sterbehilfe für Todkranke falsch?

Ist Sterbehilfe für Todkranke nun richtig oder falsch? Die Regisseure legen sich nicht fest. Anstatt auf eindeutige Positionen oder gar moralische Appelle zu setzen, erzählt der Film mit viel Empathie und leisem Humor von einer verwickelten Situation. Schließlich kommt das Gemeinschaftsprojekt für Max in Gang, wenn auch verbunden mit einigen Hindernissen technischer Art. Dabei entwickeln Yehezkel und die anderen nicht nur ein beeindruckendes Improvisationstalent – schließlich muss das Blutdruckmessgerät, an das Max im Krankenbett Tag und Nacht angedockt ist, überlistet werden – , sondern auch kriminalistisches Gespür: Wollen die reifen Herrschaften nicht in den Knast wandern, müssen sie ihre Spuren verwischen. Dennoch kommt ihnen jemand auf die Spur. Schließlich ist Yana nicht der einzige ältere Mensch in der Gegend, der seinen sterbenskranken Partner erlösen möchte. So wird der Interessentenkreis für den als einmaliger Freundschaftsdienst gedachten „Service“ immer größer. Teil des Pakets: ein Abschiedsgruß auf Video.

Derweil verschlechtert sich der Zustand der an Alzheimer erkrankten Levana zunehmend. Bis auch sie und Yehezkel eine schwierige Entscheidung treffen müssen. Dennoch bleibt der von Leichtigkeit durchzogene, durchaus traurige Momente einschließende Erzählton bis zum Schluss erhalten. In die sterile Atmosphäre eines Luxuswohnheims oder in Krankenhäusern bringt der Film ein Reichtum an Farben, die mit dem gängigen Bild von brav erduldeter Monotonie und Apathie wenig zu tun haben. Dieses gleichermaßen humorvolle wie subtile Facettenreichtum entfaltet seine volle Wirkungskraft nicht zuletzt dank der Hauptdarsteller, die der ersten Riege von Israels Komödien- und Bühnenstars entstammen.

Mit tragikomischen Mittel macht der Film deutlich, wie weitreichend jede einzelne Entscheidung für oder gegen aktive Sterbehilfe ist: eine willkommene Perspektive auf ein Thema, das in öffentlichen Debatten viel zu oft auf juristische Fragen verkürzt wird. So gesehen, ist diese Komödie äußerst lehrreich, ohne belehren zu wollen.
 

Info: Am Ende ein Fest (Israel/Deutschland 2014), ein Film von Sharon Maymon und Tal Granit, mit Zeev Revach; Levana Finkelstein, Aliza Rosen, Ilan Dar u.a., 93 Minuten. Jetzt im Kino

 

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