Film „Wir und das Tier“: Wie Menschen das Handwerk des Tötens erlernen
Tiberius Film
Diese Sau hat es gut. Sie wird liebevoll getätschelt und mit einem Apfel verwöhnt. Doch die wonnevollen Momente am Rande des Schweinegeheges einer Landfleischerei sind von kurzer Dauer. Die Kamera verfolgt, wie sich das Tier auf seinen letzten Weg begibt. Wenige Augenblicke später ist es tot und wird zerlegt. Aus dem behäbig grunzenden Vierbeiner ist Rohstoff für die Fleischproduktion geworden.
Fleisch – ein umstrittenes Konsumprodukt
Kaum ein anderes Konsumprodukt polarisiert heutzutage so sehr wie Fleisch. Es sei ungesund und klimaschädlich, so die landläufige Kritik. Und da ist noch die Sache mit dem Tierwohl. Nicht nur deswegen sind für handwerkliche und industrielle Fleischerzeuger*innen in Deutschland unsichere Zeiten angebrochen. Letztendlich geht es auch um nackte Zahlen. Hierzulande gehen Fleischkonsum und -erzeugung seit Jahren zurück. Die Folgen dieses Trends sind noch nicht abzusehen.
Es gibt also viele gute Gründe, sich die Branche mal näher anzuschauen. Der Filmemacher David Spaeth hat dies getan. Sein Dokumentarfilm „Wir und das Tier – ein Schlachthausmelodram“ kommt den Akteur*innen in der Tat sehr nahe. Und damit sind durchaus auch Schweine und Kühe gemeint. Was macht die Kritik am Fleischverzehr mit denen, die Tag für Tag Tiere töten und verarbeiten? Wie und wo sehen sie ihre Zukunft? Es geht aber auch um zeitlose Fragen: Was macht es mit Menschen, die täglich Vierbeiner ins Jenseits befördern? Können Fleischerinnen und Fleischer tierlieb sein?
Töten mit Beigeschmack
Auf all diese Fragen liefert der Film interessante und bisweilen erstaunliche Antworten. Im Rahmen von Interviews und Live-Beobachtungen erleben wir die Fleischerzeugung aus verschiedenen Blickwinkeln. „Es fällt mir immer schwerer, ein Tier zu töten“, sagt Jürgen zu seinen Auszubildenen. Seit mehr als 40 Jahren tut er genau das. Doch von Abhärtung ist bei dem Leiter eines Bio-Betriebes keine Spur. Auch Elisabeth beweist einen sehr reflektierten Blick auf die Dinge. Die studierte Lebensmitteltechnikerin arbeitet als Fleischerin in einer Kooperative im Piemont (Italien). In der dortigen Slowfood-Szene hat sie sich einen Namen gemacht.
Filmemacher Spaeth sind aber auch Einblicke in einen Zweig der Branche gelungen, der sich, auch wegen vergangener Skandale, nach außen hin für gewöhnlich hermetisch abriegelt. Gemeint sind die industriellen Großbetriebe. Beim Besuch in Europas größtem Rinderschlachtbetrieb in Bayern entstanden Bilder, die vor Augen führen, was am Anfang dieser Art von Massenproduktion steht. Je nach Blickwinkel lassen sich die statischen Einstellungen als dystopisch bezeichnen. „Ich liebe Tiere“, sagt zwar Manager David. Er habe aber auch kein Problem damit, „mein Nahrungsmittel davon zu beziehen“.
Katrin und Katrin machen hingegen das, was auch der Film tut: Sie begeben sich auf Entdeckungsreise. Die Tickets für einen Schlachtkurs im Hessischen waren ein Geburtstagsgeschenk. Auch dieser Grenzerfahrungstrip der beiden Lehrerinnen wurde in intensiven und berührenden Bildern eingefangen, die mehr von der Mimik als von Worten leben.
Empathischer und präziser Blick
Auf explizite Aufnahmen verzichtet Spaeth in seinem Film ganz bewusst. Im Sinne seines Anliegens sind sie auch gar nicht nötig. Um die beschriebenen Grundkonflikte zu verdeutlichen, genügt sein empathischer wie nüchterner Blick. „Wir und das Tier“ ist nicht als Anklage oder Lehrstück zu verstehen. Vielmehr geht der Film verschiedenen Fragestellungen nach und fördert Antworten und Erkenntnisse zutage, die keinen Anspruch auf Allgemeinheit erheben, sondern klar als persönliche Perspektiven erkennbar bleiben.
Spaeth hat sich seinem Stoff unvoreingenommen und als Entdeckender genähert. Genau das macht den Reiz des Films aus. Von diesem Ansatz zeugen viele atmosphärisch starke Einstellungen, aber auch die äußerst offenen Gespräche vor der Kamera. Einige Klischees über die Welt der Fleischerzeugung werden widerlegt. Und damit auch so manche pauschale Kritik.
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