Kultur

Film „Nur wir drei gemeinsam“: Aus dem Iran in die Pariser Vorstadt

Vom revolutionären Iran in die multikulturelle Banlieue: Die Tragikomödie „Nur wir drei gemeinsam“ erzählt bissig und berührend von einem Familienschicksal in zwei Systemen. Mit schwarzem Humor wird selbst der blanke Horror entschlüsselt. Der Film erscheint nun auf DVD.
von ohne Autor · 10. Februar 2017
Unkaputtbar: Fereshteh, Nouchi und Hibat Tabib halten sich im Exil mit einer Imbissbude über Wasser.
Unkaputtbar: Fereshteh, Nouchi und Hibat Tabib halten sich im Exil mit einer Imbissbude über Wasser.

Manch ein Leben ist filmreif und scheint doch jeden Rahmen zu sprengen. Das dachte sich auch der französische Stand-up-Comedian und Rapper Kheiron, als er die Geschichte seines Vaters vor Augen hatte. Eigentlich ist es eine Familiengeschichte, in der vieles zusammenkommt, was bis heute die Nachrichten beherrscht: politische Verfolgung und Flucht, aber auch das schwierige Zusammenleben in sogenannten Problemvierteln am Rande der Großstädte.

Flucht über die Türkei nach Frankreich

Im Zentrum steht besagter Vater. In den 1970er-Jahren saß Hibat Tabib, ein frischgebackener Anwalt aus der iranischen Provinz, mehr als sieben Jahre im Gefängnis, weil er gegen das Schah-Regime protestiert hat. Kurz nach der Islamischen Revolution betätigt er sich erneut im politischen Untergrund. Als die Lage zu brenzlig wird, flieht er mit Frau und Sohn über die Türkei nach Frankreich. Gestrandet in einem heruntergekommenen Pariser Vorort, baut sich die junge Familie ein neues Leben auf. Als Leiter eines bei Kleinkriminellen beliebten Jugendzentrums macht sich Tabib einen Namen und wird Jahre später als angesehener Bürger gar in die französische Ehrenlegion aufgenommen.

Wie erzählt man all das in 90 Minuten? Kheiron (geboren 1982 in Teheran), der Drehbuch, Regie und Hauptrolle übernahm, entschied sich für einen spielerischen Umgang mit dem Stoff. Sein Film „Nur wir drei gemeinsam“, der vergangenen Sommer im Kino lief und nun auf DVD erscheint, erhebt bei der Darstellung jener blutigen Jahre im Iran keinerlei dokumentarischen Anspruch. Gleichwohl geht es darum, wie das Politische und das Private ineinandergreifen. Das Schicksal der Familie erschließt sich aus pointierten Szenen zwischen Tragik und Komik. Im Folterknast von Teheran wird Tabib aufs Übelste gedemütigt, weil er sich weigert, vom Kuchen des Schahs zu essen. Die Erzählung konzentriert sich allerdings darauf, wie Tabib und seine Leidensgenossen sich über die Zeit retten: zum Beispiel mit Erinnerungen an die Familie und schwarzem Humor.

Eine Familie im Gefühlschaos

Hinter den schroffen Mauern deutet sich zudem an, wer nach dem Sturz des brutalen Alleinherrschers das Heft in der Hand haben wird. Gerade bei den Szenen hinter Gittern zeigt der Regisseur Kheiron ein subtiles Gespür dafür, wie sich der blanke Horror mit den Mitteln der Komödie entschlüsseln lässt. Belustigung, Erschrecken und Rührung liegen so dicht beieinander, wie man es zuletzt wohl bei Roberto Benignis Holocaust-Tragikomödie „Das Leben ist schön“ oder in Marjane Satrapis Zeichentrickfilm „Persepolis“ erlebt hat.

Auch Kheiron setzt auf Wortspiele, Tempo und Running Gags, ohne peinlich zu werden. Mit einem weiteren Bruch bürstet er die Familiensaga, die durchaus als Hommage an die Eltern, die nie aufgegeben haben, gedacht ist, gegen den Strich: Zwar ist der Vater im Film die tragende Figur, doch in der Familie ist die Mutter die höchste Instanz. Fereshteh Tabib (eindringlich verkörpert von Leila Bekhti) ist ebenso ironisch wie resolut und setzt nicht zuletzt die Schlüsselentscheidung der Handlung durch: die Flucht zu dritt über die Berge ins Ausland. So steht der Titel nicht nur dafür, dass es die drei Tabibs immer wieder schaffen, sondern auch, dass sie nie den Glauben an sich verlieren. Dankenswerterweise vermittelt Kheiron diese Botschaft weniger mit Pathos als mit lakonischem Humor.

Erfrischender Blick auf die Wirklichkeit

In etwa das letzte Drittel des Films widmet sich dem neuen Leben in Frankreich. Jenem Land der „ersten Revolution“, das Mutter und Vater zunächst mit vielerlei Hoffnungen verbinden. Tatsächlich landen die beiden erst einmal auf dem Boden der Tatsachen: miese Jobs, Fremdheitserfahrungen und erneut Gewalt auf der Straße. Hier gehen Regie und Drehbuch allerdings die Puste aus: Was als märchenhaft-schrille und berührende Geschichte begann, bewegt sich nun auf der Schiene konventioneller französischer Culture-Clash-Komödien. Anstelle von kontrastierenden Aha-Effekten dominiert allzu Versöhnliches. Kheiron bringt nur bedingt zum Schwingen, wie die Iran-Erfahrungen der Eltern in einem Umfeld, das sie auf andere Weise abstößt, fortwirken.

Unterm Strich bleibt aber vor allem ein frischer und erfrischender Blick auf eine weltpolitische Umwälzung, der gerade durch den Weg über die Komik und einen persönlichen Fokus neue Facetten abzugewinnen sind.

Info: „Nur wir drei gemeinsam“ („Nous trois ou rien“, Frankreich 2016), ein Film von Kheiron, mit Kheiron, Leila Bekhti, Gérard Darmon, Zabou Breitman u.a., 98 Minuten, ab 12 Jahre

 

Ab 16. Februar auf DVD

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