Kultur

Film der Woche „Die Mission der Lifeline“: Seenotretter kämpfen an vielen Fronten

Organisationen wie „Mission Lifeline“ helfen dort, wo Europas Regierungen versagen: Sie retten Flüchtlinge im Mittelmeer. Von den Erfolgen, aber auch Problemen der Seenotretter erzählt jetzt ein Dokumentarfilm.
von ohne Autor · 24. Mai 2019
Wo staatliches Handeln versagt: Auf See erlebt die Crew immer wieder dramatische Situationen.
Wo staatliches Handeln versagt: Auf See erlebt die Crew immer wieder dramatische Situationen.

Seit Jahresbeginn sind rund 500 Menschen auf dem Weg von Afrika nach Europa im Mittelmeer ertrunken. Der Dresdner Seenotrettungsverein „Mission Lifeline“ will sich mit dem alltäglichen Sterben nicht abfinden. Seit 2017 sind die Mitstreiter mit einem Schiff zwischen Europa und Nordafrika unterwegs, um Menschen aus Seenot zu retten. In rund 1.000 Fällen ist dies bislang gelungen.

Vereinsgründer vor Gericht

Zwei Jahre lang hat Regisseur Markus Feinberg die Menschen hinter dieser Nichtregierungsorganisation begleitet. Sein Film „Die Mission der Lifeline“ beleuchtet die Anfänge vor drei Jahren, als es zunächst darum ging, mithilfe von Spenden ein Schiff zu kaufen und flottzumachen.

Zeitgleich mussten sich die Vereinsgründer vor Gericht verantworten. Weil ihnen in einer anonymen Anzeige das „Einschleusen von Ausländern“ vorgeworfen wurde, ermittelte die Staatsanwaltschaft. Denn auch darum dreht sich diese Dokumentation: Von Anbeginn an wurde der Mission Lifeline e.V. in der sächsischen Landeshauptstadt, wo seit Jahren das rassistische Pegida-Bündnis grölend durch die Straßen zieht, massiv angefeindet.

Im Extremfall harte Entscheidungen

Vor allem aber werden intensive Einblicke in den Alltag auf See geboten. Knapp zwei Wochen verbrachte das Filmteam an Bord der „Lifeline“ vor der lybischen Küste. Dabei ist zu erleben, wie die Crew darum bemüht ist, bei aller Menschenliebe professionelle Abläufe zu organisieren. Was im Extremfall bedeuten kann, Entscheidungen treffen zu müssen, die mit dem Anspruch kollidieren, jedem Bootsflüchtling helfen zu wollen.

Immer wieder ist die Handkamera in brenzligen Situationen mitten im Geschehen. Einmal treibt ein hoffnungslos überfülltes und leckes Schlauchboot auf die „Lifeline“ zu, die die Afrikaner in diesem Moment aus Platzgründen aber nicht an Bord nehmen kann. Es mutet wie ein Wunder an, dass keine Massenpanik ausbricht. Für diese Migranten ist es offenkundig nur ein weiterer Moment äußerster Gefahr.

Das Tor zur Gewalt steht offen

Ein weiterer solcher Schockmomente tritt ein, als lybische Milizionäre, die angeblich in Diensten der EU auf dem Meer patrouillieren, die Besatzung bedrohen und die soeben Geretteten „zurückfordern“. Offenbar ist der Menschenhandel nicht nur für Schlepperbanden ein Geschäftsmodell. Das Tor zur Gewalt steht in dieser Szene weit offen.

Das Spannungsfeld, in dem sich das humanitäre Engagement der Seenotretter bewegt, ist stets präsent. Immer werden Bilder vom Pegida-Mob und den Querelen mit der sächsischen Justiz mit den Szenen vom Mittelmeer gegeneinander geschnitten. Axel Steier, der Mitbegründer und Vorsitzende von Mission Lifeline, sieht sich immer wieder wüsten Beschimpfungen ausgesetzt. Am Rande eines Pegida-Aufmarsches hält ihm eine wütende ältere Dame vor, er sei schuld daran, dass „Invasoren“ das Land überschwemmten.

Humanitäre Lücke

Diesen auch auf den ersten Blick gutbürgerlich auftretenden Stadtbewohnern verbreiteten Hass auf alles Fremde ebenso konsequent wie unaufgeregt offenzulegen, gleichzeitig aber auch das andere, weltoffene Dresden ins Bild zu setzen, zählt zu den Grundintentionen dieses Films, der seine engagierte Haltung vor allem durch die unmittelbaren Zeugnisse von der Mittelmeerroute unterstreicht.

„Wenn da in Dresden auf dem Marktplatz ,Absaufen, Absaufen' gerufen wird, wenn's um Seenotrettung geht und du bist auf dem Mittelmeer und siehst, wie die Leute vor dir ertrinken, dann kannst du das nicht glauben“, so Markus Weinberg, selbst in Dresden beheimatet, gegenüber dem MDR. „Deswegen ist es auch wichtig, das in dem Film zu zeigen.“

Kontrast zu Bildern aus Dresden

Die privaten Seenotretter, die ihre Einsätze mit der italienischen Seenotrettungsleitstelle abstimmen, würden „in eine Lücke gehen“, sagt Weinberg. „Dort, wo staatliches Handeln versagt. Alle, die dort aktiv werden, sind sich ja bewusst, dass sie damit keine Probleme lösen. Die helfen in einer humanitären Krise – das ist richtig.“

Was diese Menschen dazu antreibt, wochenlang Familien und Arbeitsplätze zu verlassen, ist während der Sequenzen aus dem Alltag der vor allem aus Deutschen und Spaniern bestehenden Crew an Bord zu erfahren. Es geht um Werte wie Solidarität und darum, das Versagen so vieler Regierungen bei diesem Thema nicht einfach hinzunehmen. Schärfer könnte der Kontrast zu den hässlichen Bildern aus Dresden nicht sein. Gerade das macht Hoffnung.

Geldstrafe für Kapitän

Eine Hoffnung, die es zu verteidigen gilt. Vergangenes Jahr wurde der „Lifeline“-Kapitän auf Malta zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt, weil das Schiff nicht ordnungsgemäß registriert gewesen sei. Seine Organisation vermutet politische Einflussnahme auf das Vorgehen der Justiz.

Info: „Die Mission der Lifeline“ (Deutschland 2019), ein Film von Markus Weinberg, 68 Minuten

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