Kultur

Film „Conny Plank“: Klang-Revolution im Schweinestall

Für Musikfans ist Conny Plank die Soundikone der 70er-Jahre, doch der Sohn des Kult-Produzenten hat nur ein diffuses Bild von seinem Vater. Ein Dokumentarfilm erzählt von seiner Spurensuche zwischen Tonbändern und Konzertsälen. Eine sinnliche Reise in die jüngere Musikgeschichte.
von ohne Autor · 29. September 2017
Conny Plank: der Produzent, ein rätselhaftes Wesen.
Conny Plank: der Produzent, ein rätselhaftes Wesen.

Wäre es nach Conny Plank gegangen, dann hieße Deutschlands bekannteste Rockband „Stalingrad“. Zwar konnte er sich mit dieser Namensidee nicht bei den „Scorpions“ durchsetzen, als er Anfang der 1970er-Jahre deren Debütalbum „Lonesome Crow“ produzierte. Doch zeigt bereits diese kleine Episode zu Beginn des Films, wie weit der legendäre Produzent ging, um seinen Studiogästen zur ultimativen, wenn nicht gar radikalen Form zu verhelfen. In der Regel beim Sound, in diesem Fall eben auch beim Namen. Nicht, um Musiker in ein Korsett zu zwängen oder eine bestimmte Etikette zu verleihen, sondern um die Essenz ihres Schaffens einzufangen. Sein Motto: „Crazyness is holy.“

Neues Bewusstsein, neue Klänge

Die Musikszene der späten 60er- und frühen 70er-Jahre, wie überhaupt weite Teile des kulturellen Lebens jener Zeit, stand im Zeichen von Bewusstseinserweiterung, was auch im kreativen Sinne zu verstehen ist. Neue Wege und Formen auszutesten, das Wesen der Klänge zu ergründen und ästhetischen Ballast abzuwerfen waren Zielmarken, denen sich nicht nur in der alten Bundesrepublik viele junge Musiker verschrieben hatten.

Die Besonderheit lag darin, dass hierzulande einige herausragende Köpfe daran arbeiteten, einen eigenständige Weg jenseits der Rock- und Pop-Schemata zu entwickeln, die von Großbritannien und den USA aus den Kontinent erobert hatten. So grundverschiedene Bands wie „Can“, „Neu“ und „Kraftwerk“ fungierten unter der diffusen, aber weltweit erfolgreichen Marke namens „Krautrock“.

Viel mehr als nur Avantgarde

Viele der wegweisenden Krautrock-Alben entstanden in Planks Aufnahmestudio in einem ehemaligen Schweinestall im Bergischen Land. Besser gesagt: Der gelernte Starkstromelektriker und Jazz-Fan sorgte dafür, dass aus zum Teil wirren Ideen zeitlose Klänge auf Vinyl entstehen. Das verschaffte dem gebürtigen Pfälzer weltweiten Ruhm.

Plank, so zeigt der Film, war aber viel mehr als ein avantgardistischer Klangkünstler, der im Produzieren alles andere als einen rein technischen Vorgang sah, nämlich einen gemeinsamen Höhenflug, was mitunter auch bedeutete, monatelang zusammenzuleben. Zum Beispiel ein Pop-Chamäleon, das sich ab den späten Siebzigern zunehmend dem Mainstream zuwandte. Die Hauptsache war, dass der frühere WDR-Toningenieur, der seinerzeit mit dem Avantgarde-Komponisten Karlheinz Stockhausen zusammenarbeitete, einen Zugang zum Songmaterial seiner Studiogäste fand.

Plank stirbt mit nur 47 Jahren

David A.  Stewart („Eurythmics“), Midge Ure („Ultravox“) und andere berichten davon, wie maßgeblich Planks Anteil an der besonderen, will heißen: eindringlichen, Note ihrer charttauglichen Tracks war. U2 und David Bowie gab dieser Wegbereiter des modernen Popsounds, der sich als Medium zwischen Musiker und Tonband sah, hingegen einen Korb.

Er war aber auch ein arbeitssüchtiger Familienvater, der mit nur 47 Jahren an Lungenkrebs starb. Er hinterließ einen 13-jährigen Sohn. Und zwar mit vielen Fragen. Vor fünf Jahren, also 25 Jahre nach Planks Tod, begann Stephan Plank den Leerstellen im Bild von seinem Vater nachzugehen.

Der Sohn auf der Suche nach dem Vater

Zugleich ist es die erste umfassende filmische Biografie über den weltberühmten Mann am Mischpult überhaupt. Plank junior flog um die halbe Welt, um Zeitgenossen und Weggefährten nicht nur über das gemeinsame Arbeiten auszufragen, sondern eben auch Dinge zu ergründen, die ihn seit seiner Jugend nicht loslassen.

Es sind Fragen wie: Wie viel Platz blieb in Planks von Soundideen durchsetztem Kopf und Herz noch für für die Familie? Hat er sich für sein Kind überhaupt interessiert? Und hat er wirklich zwei Jahre lang kaum geschlafen, weil die Musiker auf dem früheren Bauernhof in Wolperath Schlange standen? Und wie hielt er dieses Leben aufrecht, als die Krankheit eine lebensbedrohende Gewissheit war?

Es bleiben Lücken im Bild

Die Antworten auf diese Fragen bleiben oft im Ungefähren. Wie sollte es auch anders sein, wenn die frühere „Ideal“-Sängerin Annette Humpe, Jaz Coleman („Killing Joke“) und andere Wegbegleiter weit zurückliegende Erinnerungen hervorkramen und damals ohnehin vor allem mit intensiver Studioarbeit beschäftigt waren.

Dennoch formt sich ein ungefähres Bild von einem Mann, der als Vater in vielen Dingen weitaus konventioneller, also dem Mainstream seiner Zeit entsprechend, war, als man geglaubt hätte. Dieser Versuch einer Annäherung, auch mittels Filmausschnitten aus dem Familienalltag, hat aber durchaus berührende Momente.

Kurzweilig und sinnlich

Vor allem aber besticht dieser Film dadurch, sich über musikalische Zitate einem Menschen anzunähern, dem ein – mag es auch abgedroschen klingen – authentischer Klang die Welt bedeutete. Und der eben dadurch die Popwelt und unsere heutigen Hörgewohnheiten, wenn auch unbewusst, entscheidend prägte. Eine ebenso kurzweilige wie sinnliche Reise durch die jüngere Musikgeschichte.

Info: „Conny Plank – The Potential Of Sound“ (Deutschland 2017), ein Film von Reto Caduff und Stephan Plank, mit den Scorpions, Annette Humpe, David A. Stewart, DAF u.a., OmU.

 

 

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