Exil-Podcast: Mit Iris Berben auf den Spuren jüdischen Widerstands
Die Geschichten von zwölf oft unbekannten Jüdinnen und Juden werden im Podcast „Exil“ erzählt. Es sind Geschichten aus der Vergangenheit, die aber bis in die Gegenwart reichen und aktueller denn je sind.
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Schauspielerin Iris Berben stellt auf einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung den Exil-Podcast vor.
Es ist der 20. Februar 1939, in gut sechs Monaten wird Adolf Hitler Polen überfallen und damit den Zweiten Weltkrieg auslösen. Am Madison Square Garden in New York versammeln sich 20.000 Nationalsozialisten zu einer Kundgebung. Dahinter steckt der Amerikadeutsche Bund – eine Vereinigung, die mit zunehmender Beunruhigung von einer anderen Gruppe beobachtet wird: dem American Jewish Congress, einem seit 1918 bestehenden Zusammenschluss verschiedener jüdischer Einwanderungsorganisationen in den USA. Sie sehen durch den Siegeszug des Nationalsozialismus auch Amerika, seine Werte, seine Demokratie bedroht – und haben beschlossen, sich dem entgegenzustellen.
Als Spionin in der Höhle der Löwen
Seit Beginn der 1930er-Jahre rekrutiert die Organisation jüdische Mitbürger*innen, um amerikanische Nazis auszuspionieren. Eine von ihnen ist die Bibliothekarin Florence Mendheim, Tochter jüdischer Eltern, die Ende des 19. Jahrhunderts aus Berlin in die USA auswanderten. Als Spionin mischt Mendheim sich unter Nazis, begibt sich in die Höhle des Löwen. Mit großem Risiko für ihr eigenes Leben und das ihrer Familie. Es gebe Momente im Leben, hielt Mendheim in ihren Aufzeichnungen fest, „in denen die größte Realität in den irrealsten, gefährlichsten Situationen zu finden ist. Um überhaupt leben zu können, muss man offenbar gefährlich leben.“
Florence Mendheim ist eine von zwölf (oft unbekannten) Jüdinnen und Juden, deren Geschichten im Podcast „Exil“ erzählt werden, eine Kooperation des Leo Baeck Institute – New York/Berlin und der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Leitfrage lautet „Wenn einem alles genommen wird, was dann?“, und im Fokus stehen persönliche Porträts jüdischer Persönlichkeiten zu Zeiten des Nationalsozialismus, die auf Briefen, Tagebüchern und Interviews aus dem Archiv des Leo Baeck Institute basieren. Die Schauspielerin Iris Berben führt als Erzählerin durch die Folgen – eine Arbeit, die sie auf dem Launch-Event zum Podcast am 7. Dezember in Berlin als „emotionale Reise“ bezeichnete. Der brutale Hamas-Angriff auf jüdisches Leben im Oktober sei eine „Zäsur“ gewesen, so Berben, und der Podcast eine Möglichkeit, „Menschen zu informieren und Zusammenhalt einzufordern.“
In einer Podiumsdiskussion – moderiert von der Publizistin Sharon Adler – tauschte Berben sich mit den Historiker*innen Dr. David Jünger und Dr. Juliane Wetzel aus. Der Begriff Exil, das wurde dabei deutlich, kann vieles bedeuten. Er umfasst nicht nur die Auswanderung an sich, sondern auch das „Leben nach dem Überleben“, wie Sharon Adler es formulierte. Dr. Juliane Wetzel betonte: „Exil bedeutete nicht einfach, dass man gerettet war. Denn es war ja nichts mehr wie vorher.“ Dr. David Jünger verwies darauf, dass nicht alle Emigrationsgeschichten Erfolgsgeschichten seien: Es galt, sich in einem Land mit anderer Sprache und Kultur ein neues Leben aufzubauen, oftmals große Unsicherheit auszuhalten. Hinzu kam, dass viele deutsche Jüdinnen und Juden vor der Auswanderung von den Nazis ausgeplündert und enteignet worden waren, ihnen also oftmals die wirtschaftliche Grundlage fehlte, sich woanders etwas aufzubauen.
Geschichten, die bis in die Gegenwart reichen
Der „Exil“-Podcast mag Geschichten aus der Vergangenheit erzählen, aber diese reichen bis in die Gegenwart hinein. Weil sie Fragen aufwerfen: danach, was Migration eigentlich bedeutet und wie Geschichten von Migration wiedergegeben und vermittelt werden. Danach, was passiert, wenn einem alles genommen wird. Dabei ist die historische Perspektive, die jüdische Exil-Erfahrungen in den Mittelpunkt stellt, seit dem Hamas-Angriff wieder aktueller denn je. Iris Berben findet, dass die Auseinandersetzung mit Themen wie Antisemitismus und jüdischer Fluchterfahrung „keine große, schwere, belastende Arbeit sein muss.“ Ganz im Gegenteil: Sie könne eine Bereicherung sein. Der „Exil“-Podcast, mit seinen persönlichen Geschichten und Porträts jüdischen Lebens, ist eine Einladung, zu lernen, sich bereichern zu lassen. Und eine Erinnerung daran, dass die Vergangenheit stets gegenwärtig ist.
Der Podcast „Exil“ kann in der Mediathek der Bundeszentrale für politische Bildung abgerufen werden sowie auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Spotify, Apple Music, YouTube oder Deezer. Ab dem 7. Dezember erscheint wöchentlich eine neue Folge.
studierte European Studies, Kommunikationswissenschaften und Journalismus in Deutschland und Frankreich. In Berlin arbeitet sie als freie Autorin und Journalistin.