Kultur

Europa in Gefahr

von Dagmar Günther · 5. Juni 2008

Der demographische Wandel lässt sich in Europa nicht mehr aufhalten. Geburtenrückgang und Überalterung der Gesellschaft sind die Zeichen dafür. Spätestens seit Frank Schirrmachers "Das Methusalem-Komplott" aus dem Jahr 2004 beschäftigt das Thema demographische Entwicklung immer wieder die Öffentlichkeit.

Peter Stützle schildert in seinem Buch "Generation Abgrund" das Problem folgendermaßen: Ab dem Jahr 2020 nähmen die Auswirkungen auf das soziale Gefüge drastisch zu. Das sei ein Ergebnis des so genannten Geburtenknicks Mitte der Sechzigerjahre. Seitdem sei jede Kinder-Generation kleiner als ihre Eltern-Generation. Die Folge: Der Geburtenrückgang müsse mittels Zuwanderung ausgeglichen werden.

Dies würde wiederum bedeuten, dass am Ende des Jahrhunderts die Mehrheit der Einwohner Deutschlands außereuropäischen Ursprungs wäre. Zuwanderer aus anderen europäischen Ländern könnten nicht erwartet werden, da Europa insgesamt schrumpft. Die in der Bevölkerungspolitik heute gefällten Entscheidungen, so Stützle, haben Auswirkungen bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hinein. Aus diesem Grund sollten alle Maßnahmen wohl überlegt und ausgewogen sein.



Stirbt Europa aus?


Autor Peter Stützle, Hörfunkchef im Hauptstadtstudio der Deutschen Welle, stellte erst kürzlich sein Buch in Berlin vor. Es verknüpfe solche Aspekte wie Demographie, Sozialpolitik und Integrationspolitik miteinander, hob Moderatorin Tissy Bruns eingangs hervor. Diese Veranstaltung sei gewissermaßen eine "Lobbyveranstaltung für Kinder", da sich das Bild von Kindern in unserer Gesellschaft in Positive verändern müsse, so Bruns wohlwollend. In Bezug auf den Titel "Generation Abgrund" ergänzte Stützle, dass er sich auf diejenige Generation beziehe, die jetzt noch im Sandkasten spielt, später aber - bei einer immer kleiner werdenden Bevölkerung- die finanzielle Last zu tragen habe.

Auf die Frage, ob denn Europa tatsächlich vor einem Abgrund stehe, bemerkte Renate Schmidt (SPD), ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass die Fakten und Zahlen zwar nicht zu leugnen seien, sie aber nicht an ein Aussterben Europas glaube. Die europäische Kultur besitze soviel Geltung, dass Integration von Zuwanderern ein Teil unserer Kultur werden würde. Darüber hinaus müsse auch die deutsche Bevölkerungspolitik bessere Rahmenbedingungen für Frauen mit Kinderwunsch schaffen.

Johannes Singhammer, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Familien, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Fraktion, schätzte die Situation in Europa anders ein. Durch Zuwanderung verändere sich Europa stärker als wir das heute kennen. Die ursprüngliche europäische Bevölkerung werde sich zudem drastisch verringern.

Einwanderung und Integration sind die Probleme

Die derzeitige Entwicklung der Gesellschaft erzeugt die Probleme von morgen: Die Bevölkerung schrumpft. Das Defizit wird durch Einwanderer ausgeglichen. Diese sollten integriert werden, so Stützle. Statistiken beweisen, dass Kinder aus Emigrantenfamilien mit oft nur einem schlechten Schulabschluss kaum Chancen auf eine Ausbildungsstelle haben. Damit bleiben sie zwangsläufig außen vor. Autor Peter Stütztle sieht das Problem einer stärkeren Zuwanderung, insbesondere aus dem islamischen Kulturkreis, in der kaum zu bewältigenden Integration der Emigranten.

Was getan werden kann

Nach Stützles Auffassung müssten erst einmal die innerpolitischen Herausforderungen Deutschlands gelöst werden - allen voran die Arbeitslosigkeit. In seinem Buch schlägt er das so genannte "Basisgeld" nach amerikanischem Vorbild als eine Lösung vor. Dies könne Menschen mit sehr geringen bzw. keinem Einkommen eine finanzielle Grundlage zum Lebengeben. Problematisch ist jedoch die Finanzierbarkeit des Modells.

Einen weitaus vielversprechenderen Lösungsansatz sah Renate Schmidt in einer verbesserten Familienpolitik: mehr finanziellen Leistungen, Anreizen und dem Ausbau der Kinderbetreuung. Johannes Singhammer plädierte ebenso für eine bessere ökonomische Absicherung von Familien.

Alle Beteiligten waren sich darüber einig, dass es sehr wichtig sei, das heutige Europa zu bewahren und zu schützen. Die abendländischen Werte und das Demokratieverständnis seien schließlich Identifikationsgrundlage vieler Europäer.

Edda Neumann

Peter Stützle: Generation Abgrund. Stirbt Europa aus?, Johannis-Verlag, 2008, 160 Seiten, 9,95 Euro, ISBN-13: 978-3501051863



Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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