Seine Frau habe die Texte für das Buch ausgewählt, er habe sich nicht eingemischt, erläutert Biermann. Er scheint zufrieden, hat sichtlich Freude an dem Band. Den ganzen Abend lang liest und
singt er daraus - vor allem aber erzählt er von früher, findet kaum ein Ende in "Clärchens Ballhaus", Berlin-Mitte. Passender könnte der Ort der Buchvorstellung nicht sein, so der Liedermacher,
sei die Gegend doch sein alter Kiez.
Die erste Liebe
Und so schildert er Küchen-Konzerte in seiner Wohnung in der Chausseestraße, Spaziergänge zum Hugenottenfriedhof und Gestalten wie den "Kohlen-Otto". Biermann unterbricht jedes Lied, jedes
Gedicht für Anekdoten, Erklärungen und kleine Scherze - die er auch gerne mal wiederholt. Das Publikum, in dem fast nur Freunde und Bekannte sitzen, dürfte all das auch schon gehört haben, was
der Stimmung aber keinen Abbruch tut.
Berlin sei seine erste Liebe, so Biermann, und so ist eines seiner frühesten Gedichte eine Liebeserklärung an die geteilte Stadt - "Berlin, du deutsche deutsche Frau". Den frühen Texten
attestiert er eine geradezu "rührende Freundlichkeit". Das habe den "alten Säcken im Politbüro" gefallen. Launig erzählt er auch davon, dass Hanns Eisler weniger seine frühen Texte schätzte, als
die Tatsache, "dass wir so einen haben, und nicht die anderen".
Nostalgieveranstaltung
1965 wird Wolf Biermann verboten. Von da an "küssten mich die Musen viel geiler", unterstreicht er: "Ich verdanke der Partei alles". Andernfalls hätte er wohl "herumgeeiert wie Christa
Wolf, Volker Braun, Heiner Müller oder Stefan Heym", betont der Liedermacher selbstgefällig bei seiner kleinen Nostalgieveranstaltung in "Clärchens Ballhaus".
Biermann lebt inzwischen in Hamburg. Er ist Ehrenbürger Berlins, und erhält nun den Ehrendoktor der Humboldt Universität - gemeinsam mit seinem Philosophie-Diplom, das ihm 1963 aus
politischen Gründen verwehrt wurde. Weil der Anlass gerade so passend ist, gibt's den neu zusammengestellten Biermann-Band, mit viel Altem, Oppositionellem, für das der Dichter berühmt ist:
"Immer kannst Du auch nicht als revolutionärer Brüllaffe über die Barrikaden springen", sagt er. - Umso lieber scheint er allerdings davon zu erzählen, wie das früher so war.
Wolf Biermann: "Berlin, du deutsche deutsche Frau", Hoffmann und Campe, Hamburg, 2008, 120 Seiten, 17,95 Euro, ISBN-978-3-455-40125-7
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.