Kultur

Es gibt kein Zurück - Rezension

von Die Redaktion · 21. September 2005

Bis heute wollen viele Nachkommen der einstigen Auswanderer zurück nach Deutschland. Aber was bedeutet und wie vollzieht sich die Heimkehr der so genannten Russlanddeutschen? Welche Aussichten, Chancen und Probleme erwarten sie in einem völlig veränderten Deutschland? In Russland und in der Sowjetunion waren sie Deutsche, in Deutschland sind sie Russen. Identität suchen und Heimat finden - dieser Problematik widmet sich das Buch von Dorothee Wierling. Es ist das Ergebnis eines Erzählprojekts.

Vertreter dreier Generationen von Deutschen, die aus Russland kommen, erzählen ihre Lebensgeschichte. Der Älteste, geboren 1918, hat eine wahre Odyssee hinter sich, bevor er im Alter von 77 Jahren nach Deutschland gelangt. Für ihn ist Deutschland ein gepflegter Park. Dem deutschen Volk ist er dankbar für seine Aufnahme. Trotzdem hat er auch einen kritischen Blick, vor allem in Bezug auf die großen Unterschiede zwischen Arm und Reich. Und maches Mal packt ihn das Heimweh nach Alma Ata in Kasachstan.

Der Jüngste, geboren 1986, hat erfahren müssen, dass die Ausgangsbedingungen für seine Familie schwer waren in Deutschland. Seine Eltern sind arbeitslos. Doch er weiß, dass es kein Zurück gibt. Als Russe wäre er in Kasachstan heute auch ein Fremder. Seine Perspektive liegt in Deutschland. Er ist jetzt ein Deutscher, will das Abitur schaffen und Polizist werden.

Die 2,4 Millionen russlanddeutschen Spätaussiedlern sind die größte Zuwanderergruppe in Deutschland. In ihrer Bilanz des Erzählprojekts deckt Dorothee Wierling die Schwierigkeiten bei der Integration dieser Gruppe von Menschen auf. So finden sie nach 1989 ein Deutschland vor, das von hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, von zunehmendem Fremdenhass und einer nicht gerade einer großen Bereitschaft, die Neuankömmlinge freundlich zu empfangen. Für die Menschen der älteren Generation ist es noch relativ einfach. Sie brauchen nur eine Wohnung, keine Arbeit. Bei den jüngeren geht die traditionell starke Stellung der russischen Ehefrauen verloren. Trotz zum Teil hoher Qualifikation müssen sie, wenn überhaupt möglich, " niedrige" Arbeiten annehmen. Ohne Arbeit, ohne staatliche Unterstützung und Förderung können sie sich nur noch über den Ehemann definieren. Ihnen bleibt jedoch wenigstens, alles für die Zukunft der Kinder und Enkelkinder zu tun.

Über die ganz jungen Russlanddeutschen, ihre Befindlichkeiten sowie Chancen berichtet Mareke Aden. Sie sind zwischen 17 und 24 Jahre alt. Sie meinen in ihr Heimatland Deutschland zurückzukommen und müssen feststellen, dass sie in der Fremde gelandet sind. Sozialisiert wurden sie noch in Russland, bringen dessen Sitten, Gebräuche und "innere Kultur" mit. Der Anpassungsdruck, den sie erleben, ist groß. Sie wollen im neuen Land Erfolg und Ansehen durch Fleiß erreichen und dennoch nach ihren traditionellen Werten leben. In ihrer Freizeit suchen und finden sie sich in "Russen Discos", sprechen dort russisch, sind in "ihrer Welt." Im Alltag draußen erleben sie manche Diskriminierung, Beleidigung und Unterstellung von kriminellen Energien. Auch hierüber gibt Mareke Aden interessante Aufschlüsse und zeigt verschiedene Konzeptionen für die Integration der Russlanddeutschen auf.

In einem Anhang - bestehend aus einem Glossar, einer Zeittafel, Statistiken und Gesetzesauszügen - findet der Leser hilfreiche Informationen.

Dieter Köppe

Dorothee Wierling (Hrsg.): Heimat finden Lebenswege von Deutschen, die aus Russland kommen, Edition Körber Stiftung, Hamburg 2OO4, Preis: 14 Euro, ISBN 3 89684 O43 6

0 Kommentare
Noch keine Kommentare