Es sind Texte und Zeichnungen afghanischer Kindern, die Roger Willemsen in seinem Buch „Es war einmal oder nicht“ veröffentlicht hat. „Die Kinder schreiben nicht dramatisch – trotzdem wühlt das Buch sehr auf“, sagt Franz Müntefering am „vorwärts“-Stand auf der Frankfurter Buchmesse.
Eigentlich sollte Franz Müntefering mit Roger Willemsen über „Es war einmal oder nicht. Afghanische Kinder und ihre Welt“ sprechen. Weil Willemsen erkrankt war, konnte Müntefering ihn nicht zu seinen Reisen und seinem Kontakt zu den Kindern befragen. Doch was er in dem Buch gelesen hatte, war ihm nicht völlig fremd: Der 1940 geborene Müntefering hat selbst noch Kindheitserinnerungen an den Zweiten Weltkrieg.
„Deutschland trägt Verantwortung“
„Wenn ein Flugzeug kommt, schmeiß’ Dich sofort in den Busch.“ Das war dem kleinen Jungen eingebläut worden, schließlich konnten die Flieger tödliche Bomben abwerfen. Müntefering erinnert sich daran, dass er sich noch 1946 in den Busch geworfen habe, wenn ein Flugzeug am Himmel zu sehen war. Die Kriegserinnerungen eines Kindes – Müntefering hat sie. „Wenngleich ich persönlich nicht so viel aushalten musste, wie die afghanischen Kinder, die in dem Buch schreiben“, betont der frühere SPD-Chef.
In Afghanistan herrscht Krieg. Auch deutsche Soldaten sind an der Militärmission beteiligt. „War das eigentlich richtig, was wir da getan haben?“ Diese Frage müsse man sich stellen, sagt Müntefering. Er hat sie für sich klar beantwortet: „Es geht uns an“, sagt er. Als Teil Europas und als Teil der Weltgemeinschaft trage Deutschland Verantwortung. „Man kann nicht zugucken und sagen: Da kann man halt nichts machen.“
Bildung kann die Welt verändern
Sein Vater habe ihm zwei Grundsätze mitgegeben: „Geh’ nie in eine Partei“ sei der eine gewesen. Der zweite lautete: „Nie wieder deutsche Stiefel im Ausland.“ Den ersten hat Müntefering 1966, dem Jahr seines Eintritts in die SPD, über Bord geworfen. Den zweiten habe er lange für richtig gehalten. – Bis der Krieg auf dem Balkan ausbrach. Darf man zusehen, wenn Menschen vor unserer Haustür ermordet werden? „Ich meine Nein“, sagt Müntefering und verteidigt auf dem „vorwärts“-Stand militärische Einsätze der Völkergemeinschaft.
Die Lage in Afghanistan bleibt kompliziert. Die internationalen Truppen ziehen ab. „Zivile Hilfe sollte es weitergeben“, unterstreicht Müntefering. Damit Kinder wie jene aus Willemsens Buch weiterhin zur Schule gehen können – was einer der häufig geäußerten Wünsche dieser jungen Menschen ist. Sie müssten Geld für ihre Familien verdienen, aber sie wollen zur Schule gehen. Die pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala hat in einer Rede vor den Vereinten Nationen die Bedeutung von Bildung so beschrieben: Ein Kind, ein Buch, ein Stift und ein Lehrer können die Welt verändern.
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.