Kultur

„Es geht um unsere Zukunft“

von Birgit Güll · 18. Februar 2013

Mit dem Projekt „Hip-Hop macht Schule“ gelingt es dem Rapper Mario „Bickmack“ Pavelka Gewalt an Schulen zu verhindern und Jugendliche für Politik zu interessieren. Die gestalte unsere Zukunft, „es ist makaber, dass wir kein Auge darauf haben“, sagt er im Interview mit vorwärts.de. Und er sagt, dass es in der Jugendarbeit überall an Geld fehlt.

vorwärts.de: Was haben Hip-Hop und Politik gemeinsam?

Bickmack: Hip-Hop ist aus einer politischen Revolution entstanden. Zu Zeiten der Sklaverei in den USA, der soziale Ungerechtigkeit in den sogenannten Ghettos, da hat Hip-Hop den Menschen geholfen. Sie haben mit Musik gesagt: Wir sind das schwarze Volk, hört uns an. Mit Musik erreicht man mehr Menschen als wenn man sich auf die Straße stellt. Hip-Hop hat einen politischen Background. Er hat viel mit Respekt, Toleranz und dem Kampf dafür zu tun. Es ist Musik von Menschen die als Randgruppe der Gesellschaft bezeichnet werden, die gibt es in jedem Land.

Hat sich Ihr politisches Engagement über Ihre Begeisterung für den Hip-Hop entwickelt?

Mein politisches Interesse beruht darauf, dass ich denke Politik kann Vieles verändern. Die Politik muss Verantwortung übernehmen. Auch für Leute wie mich, für Afroamerikaner. Ich bin in diesem Land aufgewachsen, mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit. Mein Vater war ein US-Soldat. Er kam nach Deutschland, um Wache zu stehen, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Ich bin sein Kind. Wenn es Hitler nicht gegeben hätte – es ist makaber das zu denken – wäre ich nicht hier. Die Politik vergisst uns Afroamerikaner. Wir sind eine Randgruppe. Ich will die Politiker auffordern sich zu engagieren. Ich sage: Passt auf Leute, ich wohne hier, ich will akzeptiert werden.

Die Politik muss mehr Verantwortung übernehmen?

Ja. Die Bürger aber auch. Ich sage den Leuten, dass es nicht reicht zu sagen: „Ich hab keinen Bock auf Politik. Zu den Wahlen geh’ ich nicht.“ Dann dürfen sie sich nicht beschweren. Man kann nicht meckern, aber nichts tun.

Sie bieten Hip-Hop Workshops in Schulen an. Wie motivieren Sie Schüler dazu aktiv zu werden?

Alles hat mit dem Projekt „Hip-Hop macht Schule“ begonnen. Das ist eine Art Mutterschiff, ein Überbegriff für die vielen Projekte die ich gemeinsam mit anderen mache: „Hip-Hop gegen Gewalt an Schulen“, „Hip-Hop gegen Komasaufen“ und so weiter. Wir gehen an Schulen und bieten halbjährige Projekte an: Rapkurse, Hip-Hop-Kurse, Tanzkurse – die verschiedenen Elemente des Hip-Hop.

Es geht darum Gewalt zu verhindern. „Worte statt Fäuste“ heißt Ihr Motto. Ist es so einfach?

Die Frage ist: Was ist Gewalt? Schlagen ja, aber es gibt auch verbale Gewalt, verbale Einschüchterung, Mobbing. Wer Gewalt ausübt hat ein Problem. Ich kenne das aus meiner Vergangenheit. ich hatte Probleme und wusste mich nur mit Gewalt zu wehren, irgendwann bin ich im Knast gelandet. Schreiben hilft. Ich will den Schülern beibringen etwas durchzuhalten.

Ihre eigene Vergangenheit, die Zeit im Knast, hilft die mit den Schülern in Kontakt zu kommen?

Auf jeden Fall. Wenn die Schüler hören ein Rapper kommt an die Schule, dann denken sie an krasse Rapper mit Star-Allüren. Die hab ich nicht. Ich komme an und sage: Hört zu, ich habe eine krasse Vergangenheit. Ich bin ehrlich zu ihnen und wir begegnen uns auf Augenhöhe. Es geht auch nicht darum mich als Rapper zu präsentieren, es geht mir um die Arbeit mit den Schülern.

Wie sieht die aus?

Die Schüler sollen viel schreiben – nicht über Gewalt, eher über sich selbst. Wenn wir sie später fragen was sie gelernt haben, sagen sie nicht: „Wir haben Rap gelernt.“ Die Schüler sagen: „Wir sind selbstbewusster geworden. Wir haben etwas über das Thema Sklaverei gelernt. Wir haben gelernt was Respekt bedeutet.“ Der Rap kommt nebenbei. Wir wollen Inhalte vermitteln, es geht nicht darum aus den Schülern Rapper zu machen.

Und das politische Engagement, wie vermitteln Sie das?

Ich versuchen den Schülern bewusst zu machen, dass es um ihre Zukunft geht. Die Politiker entscheiden darüber. Es ist makaber, dass wir kein Auge darauf haben wie unsere Zukunft gestaltet wird.

Umgekehrt werden wir oft übersehen. Wenn ich zum Beispiel an das Thema Rente denke: Ich werde keine Rente kriegen. An wen richtet sich die Reden über die Renten im Wahlkampf? An Leute die in den nächsten 20 Jahren in Rente gehen. Aber Künstler, Selbstständige, Sozialpädagogen – die können gar nicht an Rente denken. Wo bleiben wir? Ich zahle Steuern, mache gemeinnützige Arbeit an Schulen. Aber im Endeffekt werde ich ignoriert. Im schlimmsten Fall bekomme ich zu hören Hip-Hop ist keine Kultur. Er ist aber eine Jugendkultur, eine Bewegung.

Sie haben gute Kontakte zur SPD, zum Parteivorstand. Wie hat sich das entwickelt?

Ulrich Kelber, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, hat uns für den Wilhelm-Dröscher-Preis der SPD angemeldet. Wir sind dann ohne Geld, aber mit Kind und Kegel – meine Frau, mein Neugeborenes waren dabei, sieben Jugendliche – nach Dresden gefahren. Dann haben wir den Dröscher-Preis gewonnen. Seitdem haben wir engen Kontakt zur SPD.

Ich versuche immer Türen zu öffnen. Ich habe massive Probleme Projekte zu finanzieren. In der Jugendarbeit ist das Geld knapp. Deshalb ist es wichtig, Kontakte zu Politikern zu nutzen.

Ist die SPD die Partei bei der Sie sich verorten?

Ich bin parteilos. Ich biete die Jugendarbeit die ich mache jeder Partei an. Außer der SPD reagiert aber keine Partei darauf. Die SPD zeigt Interesse. Sie ist auch die Partei, die sich diesem Engagement am nächsten fühlen sollte – Sozialdemokratische Partei, kleine Leute. Es ist eine gute Partei, wenn sie sich ein bisschen mehr um die Dinge kümmert, um die sie sich früher gekümmert hat.

 

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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