Erik Flügge: Die SPD muss wieder Fragen stellen
Michael Gottschalk
Erik Flügge versteht Deutschland nicht mehr. „Wir sind erfolgreich wie nie, grundsätzlich läuft vieles gut, aber wir führen nur Debatten über Krisenphänomene“, sagt der Politikberater am Mittwoch Nachmittag auf der Frankfurter Buchmesse. Er ist an den vorwärts-Stand gekommen, um im Gespräch mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sein Buch zu präsentieren. „Deutschland, du bist mir fremd geworden“ heißt das und enthält 160 Seiten Kritik, Analyse und Vorschläge, wie es künftig besser laufen könnte in unserem Land.
Flügge: Themen in den Köpfen der Menschen ändern
Im Gespräch mit Lars Klingbeil ist Flügge natürlich schnell bei der SPD, in der der 32-Jährige auch Mitglied ist. „Wir haben eine sehr stabilisierende Politik gemacht“, lobt Flügge zwar und nennt als Beispiel den Mindestlohn, doch das bekämen die Menschen kaum mit. Grund dafür sei ein politischer Diskurs, der sich lieber mit Flüchtlingen und den Verfehlungen eines Verfassungsschutzpräsidenten beschäftigt, statt mit dem Leben der Menschen.
„Wir müssen die Themen in den Köpfen der Leute ändern“, fordert Flügge. Gedanken zu erzeugen, sei Aufgabe der Politik. Die SPD müsse endlich wieder große Ideen entwickeln und gesellschaftliche Fragen aufwerfen. „Die Menschen honorieren es, wenn man Fragen stellt“, ist Erik Flügge überzeugt.
Klingbeil: Niemand wusste mehr, wofür die SPD steht
„Wir müssen wieder Lust auf Zukunft machen“, stimmt ihm Lars Klingbeil zu. Dafür will der SPD-Generalsekretär auch „die Themen ändern, über die wir reden“. Die Sozialdemokraten hätten zu lange den Fehler gemacht, allein „auf die Umfragen zu gucken“ und danach zu entscheiden, um welche Themen sie sich kümmern. „Irgendwann wusste dann niemand mehr, wofür die SPD eigentlich steht.“
Klingbeil will deshalb „wieder die großen Themen behandeln“. Dazu gehören für ihn etwa die Klimapolitik, Europa und eine „Neupositionierung in Fragen des Sozialstaats“. Konkret meint Klingbeil damit, wie und durch was die Hartz-IV-Regelungen ersetzt werden könnten. Erste Antworten sollen beim Debattencamp der SPD im November erarbeitet werden. Substanzielle Punkte will Klingbeil im Frühjahr 2019 vorstellen.
Wichtig sei für die Politik der SPD, dass sie es wieder möglich macht, „die bestehenden Sozialstrukturen zu durchbrechen“, betont Erik Flügge. Die Partei müsse ihr altes Aufstiegsversprechen erneuern und wieder mit Leben füllen. Denn „wenn niemand mehr an den Aufstieg glaubt, glaubt auch niemand mehr an die SPD“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.