Kultur

Empörend gut

von Kai Doering · 3. März 2014

„Erden“ heißt das fünfte Album von „Rainer von vielen“. In 14 Liedern legt die Allgäuer Band den Finger in die Wunden der Gesellschaft. Ein großartiges Stück Musik

Einfühlsame Balladen, punkige Rock-Songs, Pop, Country-Elemente, Hip-Hop-Raps, Blasmusik (inklusive Jodeln) und Shanty. Ein derart vielseitiges Album hat es in deutscher Sprache lange nicht gegeben. Mit ihrer fünften Platte „Erden“ ist der Allgäuer Band „Rainer von vielen“ ein wahres Meisterstück gelungen.

Die vier Musiker um Frontmann und Sänger Rainer Hartmann nennen ihre Richtung selbst „Bastard-Pop“ und das trifft ihre Art Musik zu machen ziemlich gut. Ungeniert bedienen sie sich in den unterschiedlichsten Genres und schaffen dadurch einen musikalischen Crossover XXL. Sie nutzen Elemente des Hip Hops ebenso wie aus der klassischen Blasmusik und kombinieren das Ganze mit rockigen Gitarren-Akkorden. Ihren ganz eigenen Akzent setzt die Band durch die unnachahmliche Stimme des Sängers Rainer, der mal einfühlsam, mal psychedelisch rasend, mal oberton-basiert röhrend loslegt.

Politische Botschaften schön verpackt

Die Botschaften gehen dabei schon fast ein bisschen unter – aber eben glücklicherweise  auch nur fast. Denn Rainer von vielen wären nicht derart erfolgreich, wenn es die vier Musiker nicht so vortrefflich verstünden, Gesellschaftskritik musikalisch zu vermitteln – Politik schön verpackt sozusagen.

Ob es um gesellschaftliche  Gleichmacherei („Muss ich das tun oder hab ich die Wahl? Bin ich Kopie oder Original?“) in „Copy Paste“, Medienkritik („Gib mir Pfürze ins Hirn“) in „Großer Bla“ oder den direkten Aufruf zum Widerstand („keinen Cent für die Bank“) in „Empört Euch“ geht – die Musiker regen mit ihren zeit- und konsumkritischen Zeilen zum Nachdenken an. Dass die Lieder zum großen Teil auch noch ausgesprochen tanzbar sind, wird da fast schon zum Nebeneffekt.

Ein wohltuendes Stück Musik

Und dass Rainer und seine Mitstreiter obendrein auch noch geschichtsbewusst sind, beweisen sie mit dem achten von insgesamt 14 Titeln ihrer Platte. Hinter dem Lied „Es bleibt dabei“ verbirgt sich eine großartige Country-Version des Jahrhunderte alten Freiheitslieds „Die Gedanken sind frei“. Auf Western-Gitarre und Mundharmonika gespielt, entwickelt es eine ganz eigene Wirkung.

„Erden“ ist ein wunderbar wohltuendes Stück Musik, das aus dem Meer weichgespülter Popsternchen herausragt, Anreize zum Nachdenken gibt und beim Zuhören einfach Spaß macht. „Nicht alles, was man kann, muss man“, erinnern Rainer von vielen in „Erden“, dem Lied also, das der neuen Platte den Namen gibt. Diese Band zumindest kann eine ganze Menge.

Rainer von vielen: Erden, Motor Entertainment (Edel)

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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