Kultur

Emmeline Pankhurst und die Suffragetten: Taten statt Worte

In dem Film „Suffragette“ wurde sie von Meryl Streep verkörpert: Emmeline Pankhurst gehörte zu den schillerndsten Figuren der Frauenrechtsbewegung. Nun ist ihre Autobiografie von 1914 in einer bearbeiteten Neuauflage erschienen.
von · 23. Juni 2016
Szene aus dem Film Suffragette
Szene aus dem Film Suffragette

Gleich zu Beginn ihrer Memoiren schreibt Emmeline Pankhurst, sie habe sich „weitgehend durch einen Prozess der Einfühlung zu einer Befürworterin der militanten Vorgehensweise“ entwickelt. Sie selber habe aufgrund ihres Elternhauses keine Benachteiligungen und Entbehrungen erfahren müssen wie so viele andere Männer und Frauen. Nein, Pankhurst wurde zur militanten Frauenrechtlerin, weil sie das Unrecht an anderen nicht ertragen konnte.

Früher Kontakt mit der Frauenbewegung

Ein gutes halbes Jahr nach dem Kinostart des Films „Suffragette. Taten statt Worte“ legt der Steidl Verlag Emmeline Pankhurst Autobiografie neu auf: „Suffragette. Die Geschichte meines Lebens“. Erstmals erschien sie 1914 unter dem Titel „My Own Story“ und wurde 1996 als „Ein Leben für die Rechte der Frauen“ ins Deutsche übersetzt. 1914, da war Pankhurst bereits Mitte 50. Der Erste Weltkrieg stand kurz bevor und die militanten Frauenrechtlerinnen hatten zu einem Waffenstillstand im Kampf um das Frauenwahlrecht aufgerufen – die britische Regierung brauche nun jede Unterstützung gegen die Deutschen.

Emmeline Pankhurst, geboren 1858, besuchte schon als junges Mädchen ihre erste Frauenrechts-Veranstaltung. 1879 heiratete sie Richard Pankhurst, engagierter Unterstützer des Frauenwahlrechts und 24 Jahre älter als sie. In den nächsten zehn Jahren bekam das Paar fünf Kinder – zur Hausfrau wurde Pankhurst aber nicht: Sie blieb politisch aktiv.

„Wir müssen handeln“

1903 – fünf Jahre nach dem Tod ihres Mannes – gründete Pankhurst die Women’s Social and Political Union (WSPU). Diese galt als radikal, weil sie nicht nur das Frauenwahlrecht forderte, sondern auch gleiche Rechte für Frauen und Männer im Scheidungs- und Erbrecht. Pankhursts Tochter Christabel, wie ihre Mutter eine engagierte Frauenrechtlerin, erklärte: „Es ist unerträglich (…), sich vorzustellen, dass noch eine Generation von Frauen beim Betteln um das Wahlrecht ihr Leben verschwenden soll. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen handeln.“ Und so schickte die WSPU Abordnungen ins Unterhaus, um sich mit ihnen wohlgesonnenen Abgeordneten zu treffen. Reden wurden gehalten, Kampagnen organisiert gegen Politiker, die das Frauenwahlrecht nicht oder nicht genügend unterstützten.

Aber: Es änderte sich nichts. Also gingen die Suffragetten nach Jahren des friedlichen Kampfes ab 1911 dazu über, Scheiben einzuwerfen, Briefkästen anzuzünden und politische Veranstaltungen zu stören – gemäß dem Motto „Taten statt Worte“. Mehrfach wurden Suffragetten inhaftiert, auch Pankhurst selbst. Im Gefängnis weigerten sie sich, das Schweigegebot zu beachten oder die Gefängniskost zu essen – und wurden deshalb brutal zwangsernährt. Ihren Kampfgeist stachelte diese Behandlung nur noch an. Pankhurst notiert: „Der Kampf hatte sich zu lange hingezogen. Wir mussten nach Wegen suchen, ihn abzukürzen, ihn auf einen solchen Höhepunkt zu treiben, dass die Regierung einsah, dass etwas getan werden müsse.“ Was bedeutete: Die Suffragetten würden noch militanter vorgehen, u.a. mit Angriffen auf Golfplätze. Dieser Guerillakrieg fand seinen vorläufigen Höhepunkt mit dem Tod Emily Davisons, die beim Pferderennen von Epson vor das Pferd des Königs lief und versuchte, dieses an den Zügeln zu packen. Das Pferd stürzte auf sie, Davison starb. Sie wurde zur Märtyrerin. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs stellten die Suffragetten ihre militanten Aktionen vorerst ein.

Zu radikal, zu kompromisslos, zu dominant

Am Ende ihres Berichts schreibt Emmeline Pankhurst: „Niemand wird noch einmal versuchen wollen, der Marsch der Frauen zu ihrem ererbten Recht auf Gleichberechtigung und Freiheit in Arbeit, Gesellschaft und Politik aufzuhalten.“ Hundert Jahre später steht fest, dass Pankhurst da wohl zu zuversichtlich war: Der Kampf um die Gleichberechtigung geht weiter. Pankhurst starb 1928 – im selben Jahr erhielten britische Frauen das Wahlrecht.

Die bearbeitete Neuauflage von „Suffragette. Die Geschichte meines Lebens“ bietet eine Kurzbiografie der Autorin, viele Fotos sowie zahlreiche Anmerkungen, die es erleichtern, Pankhursts Bericht einzuordnen und zu verstehen. Zum besseren Verständnis wäre außerdem eine Chronik der Suffragetten-Bewegung in England nützlich gewesen, genauso wie ein Namensregister. Pankhurst schreibt lebendig und oftmals amüsiert über den Widerstand der Politik gegen das Frauenwahlrecht – aber auch bewegend über den brutalen Umgang mit inhaftierten Suffragetten. Die Gründerin der WSPU war zeit ihres Lebens und auch nach ihrem Tod eine umstrittene Figur: zu radikal, zu kompromisslos, zu dominant. Ihre Autobiografie trägt dazu bei, diese widersprüchliche Frau ein bisschen besser zu verstehen – und bietet einzigartige Einblicke in die Frauenrechtsbewegung des frühen 20. Jahrhunderts.

Emmeline Pankhurst: Suffragette. Die Geschichte meines Lebens. Aus dem Englischen und mit Anmerkungen von Agnes S. Fabian und Hellmut Roemer. Steidl Verlag, 2016.

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