Wer hat die Macht in unserem Land und wie denkt die Elite über soziale Ungleichheit? Diese Fragen diskutieren Michael Hartmann und Uwe-Karsten Heye am Sonntag am vorwärts-Stand bei der Frankfurter Buchmesse.
Wer ist verantwortlich für die Finanzkrise? Fragt man die Bevölkerung, antworten 80 Prozent, dass die Banken verantwortlich sind. Fragt man die deutsche Elite, antwortet die überwiegende Mehrheit ihrer Vertreter, dass die Staatsverschulung verantwortlich ist.
Dabei ist klar, erklärt der Soziologe und Eliteforscher Michael Hartmann am Sonntag am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse, dass die Staatsverschulung erst nach der Bankenkrise explodiert ist. Aber genau diese Differenz in der Wahrnehmung der Wirklichkeit ist seiner Meinung nach entscheidend dafür, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet, die soziale Spaltung wächst. Denn mit dieser Wahrnehmung lässt sich das politische Handeln verstehen, dass beispielsweise im Fall der Finanzkrise aus Sozialkürzungen und Einsparungen im Staatshaushalt besteht.
Michael Hartmann stellt in seinem Buch „Soziale Ungleichheit und die Eliten“ dar, wie die tausend mächtigsten Deutschen über die soziale Ungleichheit im Land und die Ursachen der Finanzkrise denken. Als Elite bezeichnet er diejenigen, die qua Amt oder Vermögen die Verhältnisse in unserem Land maßgeblich beeinflussen, als da wären Politiker, Manager, Vertreter der Justiz oder der Medien. In dieser Gruppe, so Hartmann, befinden sich wenige Frauen, noch weniger Migranten und, so das erstaunliche, kaum ehemalige DDR-Bürger.
Während beispielsweise in der Bevölkerung die Notwendigkeit eines Mindestlohns oder die Forderung nach höheren Steuern für höhere Einkommen großen Zuspruch erfährt, haben Vertreter der Elite eine gegensätzliche Sicht auf die Dinge. Diese Sicht variiert, so Hartmann, „sie ist herkunftsabhängig“. Ein Spitzenpolitiker aus einer Arbeiterfamilie sieht die Notwendigkeit nach höheren Steuern, ein Spitzenpolitiker aus dem Großbürgertum oder akademischen Verhältnissen sieht sie nicht.
Die Politik jedoch orientiert sich immer mehr an den Interessen der Wirtschaft und der reichen Deutschen, ganze Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Hartz-IV-Empfänger, werden ausgegrenzt. Hartmanns Bilanz: Verändern lasse sich das nur, wenn der öffentliche Druck auf die Politik wächst.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.