Mehr als drei Millionen Studenten haben bisher mit dem Erasmus-Programm der EU im Ausland studiert. Die Initiatoren der ersten Europäischen Bürgerinitiative „Fraternité 2020“ kämpfen für eine bessere Unterstützung der Austauschprogramme. Mitinitiatorin Simona Pronckuté erklärt im Interview mit vorwärts.de, wie Austauschprogramme ein vereintes Europa schaffen.
Vorwärts.de: Was sind die Ziele der Bürgerinitiative „Fraternité 2020“?
Simona Pronckuté: Fraternité 2020 will die Austauschprogramme der Europäischen Union, wie Erasmus oder den Europäischen Freiwilligendienst, verbessern und so zu einem vereinten Europa beitragen, das auf Solidarität zwischen den Bürgern beruht. Wir schlagen drei Maßnahmen vor um Mobilität zu fördern. Erstens soll die Kommission bestehende EU-Mittel konsequenter einsetzen, um Mobilität zu stärken. Außerdem sollten in Zukunft mehr Mittel für Austauschprogramme bereitgestellt werden, langfristig zehn Prozent des EU-Budgets. Zweitens muss sich die EU stärker dafür einsetzen, dass die Teilnehmer der Austauschprogramme interkulturelle Kompetenzen erwerben – etwa indem Sprachkurse oder Kurse über die Kultur, die Tradition, die Geschichte oder die Gesellschaft des Gastlandes angeboten werden. Drittens sollten Fortschritte im Bereich der Mobilität der Studenten besser als bisher erfasst werden, zum Beispiel durch die europäische Statistikbehörde Eurostat oder die Eurobarometer-Umfragen.
Sie fordern mehr Geld für Austauschprogramme. Warum sind die aktuellen Mittel zu gering?
Für Programme wie Erasmus wird immer noch kaum mehr als ein Prozent des EU-Haushaltes ausgegeben. Für uns sind aber ein oder zwei Prozent nicht genug. Der Europäische Rat – die einzige EU-Institution, die sich noch gegen einen höheren Anteil ausspricht – sieht nicht, die ungeheueren Potenziale der Programme. Wenn man Bürgern die Möglichkeit gibt, im Ausland zu arbeiten oder zu studieren, bringt man nicht nur auf eine tolle Weise Europäer zusammen, man tätigt auch eine lohnende Investition! Mehr Geld für Austauschprogramme wird Europa angesichts der Globalisierung wettbewerbsfähiger machen.
Inwiefern sind denn die Austauschprogramme wirtschaftlich von Vorteil?
Austauschprogramme helfen, den Menschen eine europäische Identität und interkulturelles Verständnis zu entwickeln. Das führt dann auch zu mehr Solidarität in Europa. Außerdem wird es für die Menschen einfacher, in den Ländern zu arbeiten, in denen ihre Fähigkeiten gebraucht werden. Austauschprogramme können also auch helfen, den Fachkräftemangel zu reduzieren, soziale Inklusion zu stärken und junge Europäer in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu unterstützen. Durch Austauschprogramme entwickeln sie persönliche Fähigkeiten und Unternehmergeist und das stimuliert das Wachstum kleiner und mittlerer Unternehmen – das Rückgrat jeder starken Wirtschaft.
Was genau ist eigentlich eine Europäische Bürgerinitiative und wie funktioniert sie?
Eine Europäische Bürgerinitiative ist eine Aufforderung der Bürger an die Europäische Kommission, innerhalb eines Bereiches, in dem die EU die Kompetenz dazu hat, einen Gesetzesvorschlag zu machen. Eine Bürgerinitiative muss mindestens von einer Millionen Bürgern unterstützt werden, die aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedsländern kommen. Um sie zu starten, muss man einen Bürgerausschuss gründen, mit mindestens sieben Bürgern, die in mindestens sieben verschiedenen Ländern wohnen.
Verpflichtend ist eine solche Initiative aber nicht. Hat sie denn überhaupt einen Einfluss?
Auf jeden Fall. Sie hat großen Einfluss, indem sie informellen Druck ausübt. Dieser ist das Entscheidende am dem neuen Instrument.
Und wie kann man Ihre Initiative unterschreiben?
Auf der Webseite der Europäischen Kommission findet man alle laufenden Bürgerinitiativen. Da kann jeder EU-Bürger auch Fraternité 2020 unterschreiben.