Er gehört zu den großen Juristen Deutschlands. Fritz Bauer, der hessische Generalstaatsanwalt, der die Auschwitzprozesse initiierte. Im Dezember jährt sich der Beginn dieser Kriegsverbrecherprozesse zum 50. Mal. Über Fritz Bauer sind jetzt zwei Bücher erschienen.
Der Journalist und Jurist Ronen Steinke legt im Piper Verlag „Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht“ vor. Bei Campus erscheint „Rückkehr in Feindesland? Fritz Bauer in der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte“. Herausgegeben von der Historikerin Katharina Rauschenberger vom Fritz-Bauer-Institut.
Die Verfolgten und Ermordeten dem Vergessen entreißen
Am 20. Dezember 1963 begannen in Frankfurt am Main die Auschwitzprozesse. In den Kinos laufen Winnetou- und Louis-de-Funes-Filme. Lou van Burg moderiert im schwarz-weiß Fernsehen „Der Goldene Schuss“. Willy Brandt ist Bürgermeister in West-Berlin. Ein von den Konservativen gehasster, zuweilen denunzierter Mann.
Gleiches gilt für den Juden Fritz Bauer. Wie Brandt emigriert aus Nazi-Deutschland nach Skandinavien. Wie Brandt ist er zurückgekehrt. Wie Brandt ist er Sozialdemokrat. Beide Männer haben aus ihrem Überleben eine politische Konsequenz gezogen. „Sie dachten eine gerechtere Welt.“ Über Bauer heißt es dazu in dem verdienstvollen Sammelband: „Er wollte für die neue deutsche Generation wirken, indem er die im Nationalsozialismus Verfolgten und Ermordeten dem vergessen entriss… Nur wenn sich alle Deutschen seiner eigenen Generation für ihre Taten verantworteten, gab es Hoffnung für die kommende.“ Der Herausgeberin Katharina Rauschenberger ist ein sehr gutes und sehr notwendiges Buch gelungen.
Ronen Steinke wiederum, Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, der ein Kapitel dazu beigetragen hat, hat zusätzlich eine eigene Arbeit vorgelegt. Sie befasst sich mit den Auschwitzprozessen und Fritz Bauer und endet mit dem plötzlichen Tod dieses zum Schluss einsamen, kranken, angefeindeten Mannes1968.
Die Beamten des „Dritten Reiches“ im Nachkriegsdeutschland
Bauer hatte viele Gegner, die ihn hinter den Kulissen der deutschen Nachkriegsjustiz behindern, sabotieren: „Die Beamten des Dritten Reiches wurden in der neu gegründeten Demokratie wieder in ihre Beamtenlaufbahn eingesetzt und sind pensionsberechtigt“, sagte Bauer einmal in einem kurzen Interview 1964: „Man war im allgemeinen nicht mehr interessiert an der Aufdeckung weiterer Naziverbrechen.“
Fritz Bauer hat ein gutes halbes Jahr vor seinem plötzlichen Tod seinem Freund Thomas Harlan geschrieben: „Die Aversion hierzulande gegen die Bewältigung der Vergangenheit wächst, sie ist groß, wird riesengroß und gefährlich.“ Zu Bauers Tod steht 1968 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Wer ihn kannte, weiß, dass in ihm eine Flamme brannte. Sie hat ihn aufgezehrt.“ Ronen Steinkes großartiges Buch endet traurig und beginnt mit einer Überraschung aus dem Leben des 1903 geborenen Fritz Bauer, der das Lebensmotto hatte: „Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg’ auch keinem andern zu.“
Ronen Steinke: „Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht“, Piper Verlag, München 2013, 352 Seiten, ISBN 978-3-492-05590-1
Fritz Bauer Institut (Hg.), Katharina Rauschenberger (Hg.): „Rückkehr in Feindesland? Fritz Bauer in der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013, 240 Seiten, ISBN 9783593399805
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).