Kultur

Ein Marshallplan für die Dritte Welt?

von Die Redaktion · 28. November 2005

Der Journalist Franz Alt und zwei Praktiker der Entwicklungshilfe, Rosi Goldmann, Gründerin der Andheri-Hilfe und Rupert Neudeck von den "Grünhelmen", präsentieren anregende, gute Gedanken. Wie ist die Misere der "Dritten Welt" zu überwinden?

"Der Norden" schreibt Alt, "kann den Süden nicht entwickeln, aber er darf den Süden nicht länger ausbeuten und kann Hilfestellung leisten". Europa und die USA verbräuchten Ressourcen armer Länder statt solare Energiequellen zu erschließen.

1970 formulierten die westeuropäischen Staaten ein wichtiges Ziel. 0,7 Prozent des jeweiligen Haushalts wollten sie langfristig für die Entwicklungshilfe ausgeben. Seither wurden jedoch die finanziellen Zuwendungen halbiert. Andererseits stiegen vor allem die Rüstungs- und Kriegsausgaben der USA.

Nur ein kleiner Teil der Militärbudgets könnte andernorts zahlreiche Schulen und Berufsbildungsstätten finanzieren und damit auch den Geburtenüberhang mancher Länder reduzieren. Ganz andere Probleme hat die Erste Welt zu lösen. "Auf mich wirkt Europa heute menschenleer, still und alt", sagt ein Inder.

Der neoliberale Kapitalismus zerrütte die Entwicklungsländer; er sei ein "primitives Selbstmordsystem", das nur nach Gewinn strebe. Die vier reichsten US-Amerikaner verfügten über mehr Geld als eine Milliarde der Ärmsten. Dabei erkennen "intelligente Egoisten" der reichen Länder, dass es ihnen besser gehe, wenn es gelänge, die Armut der südlichen Hemisphäre erfolgreich zu bekämpfen.

Das eigentliche Problem bestehe keineswegs darin, möglichst viel Geld in Elendsgebiete zu transferieren. Notwendig ist vielmehr "Hilfe zur Selbsthilfe". "Es geht nicht um Almosen der Reichen für die Armen, sondern um globale Kooperation". Franz Alt empfiehlt notwendige, radikale Maßnahmen. "Eine globale ökosoziale Marktwirtschaft" sei zu schaffen, die Rüstungsproduktion drastisch zu beschränken, "demokratische Institutionen" innerhalb der Wirtschaft einzurichten, und ein "Marshallplan" soll kurzfristig den Hunger besiegen. Dafür sollen die Industriestaaten jährlich 105 Milliarden Dollar bereitstellen. Diese Größenordnung erscheint Alt realistisch; zumindest lägen die weltweiten Rüstungskosten 15-mal höher.

Auch die Dritte Welt wird kritisiert. Diktatoren, zum Beispiel Robert Mugawe, dessen "schwarzer Rassismus" das eigene Land ruiniere, kaufen teure Waffen. "Tyrannen und räuberische Eliten" bestehlen Millionen Menschen. Die Entwicklungsländer müssen, so versteht man die Autoren wohl richtig, durch eigene Anstrengung den Sumpf verlassen, unterstützt vom Westen.

Rosi Goldmann und Rupert Neudeck schildern ihre höchst wirksamen Aktivitäten. Hierzu gehören Soforthilfe bei Naturkatastrophen, medizinischer Beistand, Schaffung von Bildungseinrichtungen, Engagement für Menschen- und Frauenrechte. Mit wenig Geld, aber viel Tatkraft vollbrachten sie "vor Ort" immense humanitäre Leistungen. Das Buch ermuntert zu einem realistischen Optimismus. Die bessere Welt komme- "auf Krücken zwar, aber unaufhaltsam".

Franz Alt, Rosi Gollmann, Rupert Neudeck, Eine bessere Welt ist möglich. Ein Marshallplan für Arbeit, Entwicklung und Freiheit, Riemann Verlag, München 2005, 317 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3570500691

Rolf Helfert

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