Kultur

Ein Malerleben

von Birgit Güll · 28. Oktober 2009
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"..., dass er für mich der zurzeit wichtigste lebende Maler ist ..., denn niemand hat unsere spezielle Einstellung zum menschlichen Leiden so ausgedrückt wie er", schreibt David Sylvester, der Kunstkritiker, Kurator und Freund, 1952 über Bacon. Zu diesem Zeitpunkt steht dessen Karriere erst am Anfang. Der 1909 Dublin geborene Sohn englischer Eltern beginnt eigenen Angaben zufolge 23-jährig zu malen. Davor betätigt er sich als Dekorateur und Möbeldesigner. Er hält sich einige Zeit in Berlin und Paris auf, bevor er Ende der 1920er Jahre nach London zieht und sich der Malerei widmet.

"Konfrontation mit der Wahrheit"

Francis Bacon ist kein "gelernter Maler", wie er in einem Gespräch mit dem Fritz J. Raddatz betont: Er habe nie eine Akademie oder auch nur eine Malschule besucht. Seine Lehren bezieht Bacon aus anderen Quellen. - Vielleicht resultiert gerade daraus die Eigenständigkeit seines Werks. Früh interessiert er sich für Fotografie und Kino. Fotos und Filmstills dienen ihm als Inspiration: So hängt etwa ein Standbild der sterbenden Amme aus Eisensteins Film "Panzerkreuzer Potemkin" in seinem Atelier. Bacon nutzt es für seine schmerzverzerrten, schreienden Figuren und damit für ein zentrales Thema seines Werks. Auch die Beschäftigung mit Velazquez und Picasso oder das Werk T.S. Eliots ist bedeutend für Bacon.

"Was er von sich selbst und anderen verlangt, ist Konfrontation mit der Wahrheit, mit der Wahrheit über die Auswirkungen unserer Zeit auf die menschliche Seele und das Bild vom Menschen", hält Stephen Spender in einem Text über ein Gespräch mit dem Maler fest. 1984 erklärt Bacon Marguerite Duras in einem Interview, er möchte seine "Porträts ebenso wie alle anderen Bilder mit jener Erschütterung zustande bringen, die man im Leben angesichts der Natur erfährt." Und so ist es "die Wirklichkeit, nicht die Fantasie, die in Bacons Kunst Entsetzen hervorruft", hebt der langjährige Direktor der Tate Gallery London John Rothenstein anlässlich einer Retrospektive des Künstlers 1962 hervor.

Ungebrochene Wirkung

Bacons steile Karriere beginnt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Seine Bilder schockieren und polarisieren. Doch ihrem Sog kann sich kaum jemand entziehen. Zusehends wächst die Bedeutung seiner Kunst. Er male morgens, so Bacon. "Nachmittags gehe ich in die Kneipe oder ins Spielkasino", erklärte er 1984 im Interview mit Marguerite Duras. Sein Hang zu Alkohol und Glücksspiel bietet genau wie seine Homosexualität Stoff für Skandale. Doch aller Aufregung zum trotz ist Bacon bereits zu Lebzeiten ein gefragter Künstler. 1992 stirbt der Maler 82-jährig in Madrid.

Die Wirkung seines Werks ist bis heute ungebrochen. Auch davon zeugt die Anthologie "Francis Bacon - Ein Malerleben in Texten und Interviews". Selbstaussagen des Malers stehen dort neben Interpretationen und Auseinandersetzungen mit Bacons Kunst. Beiträge von David Sylvester, Gilles Deleuze oder Marguerite Duras sind in dem Buch versammelt. Ihre chronologische Anordnung vermittelt gleichsam eine Rezeptionsgeschichte von Bacons Werk. Nur im Nachwort des Buches scheint die sexuelle Orientierung des Malers mehr zu interessieren als seine Kunst. Doch die Ausschlachtung seiner tatsächlichen oder angeblichen Vorlieben schmälert in keinem Fall die Qualität der übrigen, lesenswerten Texte in der Anthologie .

Dino Heicker (Hg.): "Francis Bacon - Ein Malerleben in Texten und Interviews", Parthas Verlag, Berlin, 2009, 335 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-86964-010-5

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Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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