Robert Leinert war einer der ersten sozialdemokratischen Abgeordneten im Preußischen Landtag. 1918 saß er der „Reichskonferenz der Arbeiter- und Soldatenräte“ vor. Als Oberbürgermeister Hannovers war er der erste Sozialdemokrat an der Spitze einer deutschen Großstadt. Heute ist er weitgehend vergessen. Anna Berlit-Schwigon hat nun ein Buch über „einen der ersten Berufspolitiker“ geschrieben.
In sozialdemokratischen Standardwerken wie der „Kleinen Geschichte der SPD“ findet Robert Leinert keine Erwähnung. Eine haarsträubende Ungerechtigkeit sei es, dass er so vernachlässigt worden ist. Wie es dazu kommen konnte, hat Anna Berlit-Schwigon in ihrer Doktorarbeit „Robert Leinert. Ein Leben für die Demokratie – Sozialdemokratische Politik in der Weimarer Republik“ analysiert. Dabei spielt Leinerts persönliche Biographie eine nachgeordnete Rolle, denn sie ist so klassisch sozialdemokratisch wie viele jener Zeit.
Geboren am 16. Dezember 1873 in Striesen bei Dresden wächst Robert Leinert in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach Abschluss der Volksschule lernt er das Malerhandwerk, findet Zugang zur organisierten Arbeiterbewegung und wird 1891 Mitglied der SPD. 1894 kommt Leinert nach Hannover, wo er als Sekretär und Redakteur der Parteizeitung „Volkswille“ Karriere macht.
Die Modernisierung Hannovers
Als Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates gelingt es dem „kompromissorientierten rechten Sozialdemokraten“, so Anna Berlit-Schwigon, im November 1918 die Voraussetzungen für eine Demokratisierung der Stadtgesellschaft zu schaffen. Hannovers Oberbürgermeister muss von da an kein Jurist mehr sein. Leinert sucht im Einklang mit dem Parteivorstand die Kooperation mit den bürgerlichen Eliten. Die nehmen das Angebot notgedrungen an und ernennen Leinert trotz ihrer Mehrheit als Oberbürgermeister an.
Getreu seinem Motto „Des Volkes Wille ist das höchste Gesetz“ macht sich Leinert an die Modernisierung Hannovers. Angefeindet von extrem rechts und links und begleitet von einer bisweilen gehässigen Berichterstattung der bürgerlichen Presse setzt Leinert den Zusammenschluss der Nachbarstädte Hannover und Linden durch. Nach zähen Verhandlungen mit dem preußischen Staat übernimmt die Stadt Hannover das Opernhaus, das Leineschloss und die Herrenhäuser Gärten, die heute ein internationaler Touristenmagnet sind.
Ein Zeichen für die Republik
In einem kurzen, aber gewichtigen Kapitel beleuchtet Anna Berlit-Schwigon Leinerts Verdienst um die Außendarstellung der Stadt. Gegen die konservativen Hinterzimmerstrategen setzt er die Einrichtung eines Pressebüros und die Gründung eines städtischen Werbebüros durch. Mit der Entfernung der Statuen von Wilhelm I. und Wilhelm II. aus dem Hannöverschen Rathaus setzt Robert Leinert ein deutliches republikanisches Zeichen.
Als sich nach der Kommunalwahl vom 2. Mai 1924 die Zahl der sozialdemokratischen Ratsmitglieder fast halbiert, wird Leinerts Position als Oberbürgermeister nahezu unerträglich. Reaktionäre Politiker und die ihnen zugeneigten Medien zeichnen ein abscheuliches Bild von ihm. Er wird „als ein unfähiger, sich selbst überschätzender Diktator mit verantwortungslosem Hang zur Lüge und Kriminalität“ gebrandmarkt. Zum 1. Januar 1925 geht Robert Leinert in den Ruhestand.
Anna Berlit-Schwigon hat in ihrer gut recherchierten und sehr lesbar geschriebenen Arbeit eine Lücke in der sozialdemokratischen Geschichtsschreibung geschlossen. Die Stadt Hannover wäre gut beraten, endlich angemessen mit Robert Leinert und seinen Verdiensten um die niedersächsische Metropole umzugehen.
Anna Berlit-Schwigon: „Robert Leinert – Ein Leben für die Demokratie – Sozialdemokratische Politik in der Weimarer Republik“, Hahnsche Verlagsbuchhandlung, Hannover 2012, 244 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-7752-4963-8
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