Kultur

Ein kritischer Rechenschaftsbericht der Sozialdemokratie

von Laura Giesen · 8. Oktober 2013

Sinkende Mitgliederzahlen und nicht zufrieden stellende Wahlergebnisse machen es deutlich: Die SPD ist nicht mehr das was sie mal war. Ferhat Cato, selber seit langem aktives SPD Mitglied und Vorsitzender des Ortsvereins Koblenz-Goldgrube, nimmt den 150. Geburtstag seiner Partei zum Anlass, sich kritisch mit ihrem Zustand auseinander zu setzen.

Das Inhaltsverzeichnis von Catos Buch liest sich wie die Tagesordnung eines Parteitags. Es beginnt mit einem Grußwort von Kurt Beck und einer Begrüßung und Eröffnung des Autors. Darauf folgen die Teile „Rechenschaftsbericht“ über die Geschichte der SPD und „Aussprache“ zu den Problemen der SPD. Am Ende stehen ein Schlusswort und Verschiedenes. Das Buch kann also als eine Art Lagebericht aus Catos Sicht verstanden werden.

In kurzen und durchaus auch kurzweiligen Kapiteln widmet er sich in der ersten Hälfte des Buchs der Geschichte der SPD. Angefangen mit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), über die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg und den Widerstand im Dritten Reich, bis hin zur Wiedervereinigung legt Cato einen Rechenschaftsbericht der Sozialdemokratie von 1863 bis 1989 vor.

„Abgesang oder Erneuerungen“

In der zweiten Hälfte ergründet der Autor in 21 weiteren kurzen Kapiteln die Ursachen für die gegenwärtigen Probleme der SPD. Das größte Problem sieht er in Gerhard Schröders Richtungsentscheidungen um die Jahrhundertwende. Nachdem sie einen Großteil ihrer ursprünglichen Ziele erreicht gehabt habe, habe die SPD auf neue Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit (wie das Entstehen prekärer Arbeitsverhältnisse) nicht angemessen reagiert. Die Agenda 2010 sieht Cato als „Verrat an den eigenen Wählern,“ der auch das Verhältnis zu den Gewerkschaften nachhaltig geschädigt habe.

Weitere Faktoren für die gegenwärtigen Probleme der SPD sind die Globalisierung, die Individualisierung der Gesellschaft sowie die fehlende Nähe der Funktionäre zum Wahlvolk. Catos Bedauern von deren Auswirkungen auf die Mitgliederstruktur der SPD spricht aus jeder Zeile. Er bemängelt aber auch innerparteiliche Vorgänge wie die Einführung von Quoten, das System der Arbeitsgemeinschaften, die schwindende Rolle der Ortsvereine und die mangelnde Bereitschaft, mit der Linkspartei zu kooperieren.

Im Schlusswort, Ferhat Cato betitelt es „Abgesang oder Erneuerungen,“ ist der Autor etwas versöhnlicher mit seiner Partei. Zumindest ist er sich sicher, dass sie noch gebraucht wird. Mit Sigmar Gabriels Worten wünscht er sich, dass der SPD noch ein zweites Mal die „Zähmung des Kapitalismus gelingen wird“.

Ferhat Cato: Hat sich die SPD überlebt?, Verlag Dietmar Fölbach, 12,80 Euro, ISBN 978-3956383007

Autor*in
Laura Giesen

war Praktikantin beim vorwärts (2013).

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