Es ist im schönsten Sinn des Wortes ein politisches, ein historisches und ein biografisches Lesebuch, das der Berliner Autor Rolf Hosfeld geschrieben hat: „Tucholsky – Ein Deutsches Leben“.
Es ist Hosfeld gelungen, über ein nur 45 Jahre währendes Leben zwischen 1890 und 1935 zu schreiben, dass sich in Zeiten eines furchtbaren deutschen Nationalismus, eines bis dahin nie da gewesenen Abschlachtens während des Ersten Weltkriegs, einer denkbar wackeligen, aber auch mit reißenden Weimarer Republik abspielte und endete, als die verbrecherischen Nationalsozialisten schon zwei Jahre an der Macht waren.
Über einen Heimat- und einen Rastlosen
Das Buch ist Rolf Hosfeld, um es gleich zu Beginn zu sagen, ausgezeichnet gelungen. Kurt Tucholsky war in seiner Zeit der moderne Intellektuelle. Zerrissen, zu begeistern, neugierig, skeptisch und davon überzeugt, dass er niemals keine Wirkung erzielen werde. Das Lebenswerk dieses spannenden Mannes, der so jung, so plötzlich und so ungeklärt im Exil stirbt, hat ihn bis heute überlebt und Wirkung zeigt es nach wie vor.
Es kann hier nicht auf alles eingegangen werden, aber ich will an drei Stellen des Buches anhalten und schildern, warum es Rolf Hosfeld so außerordentlich gut gelungen ist, diesen klugen und großen Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines zu beschreiben, die Zeiten zu schildern. Es beginnt mit einer Zugfahrt vor dem ersten Weltkrieg in einem D-Zug vom Berliner Hauptbahnhof nach Löwenberg.
Der Jurastudent Kurt Tucholsky und die Medizinstudentin Else Weil wollen in diesem August 1911 nach Rheinsberg im Ruppiner Land. Der Platz reicht nicht, um diesen kenntnisreich geschrieben, sehr anschaulichen Beginn des Buches hier zu schildern, man ahnt worauf es hinaus läuft: Mit seinem späteren Erstlingswerk „Rheinsberg“ wird Tucholsky bekannt, berühmt.
Die Lage ist ernst, aber zum Lachen
Was war dieser Mann nicht alles? Vor allem ein unabhängiger Denker nach dem Motto: „Die Lage ist ernst, aber zum Lachen“: Niemand schrieb so meisterhaft komisch wie er. Schaute so genau hin wie er. Er schlüpfte in verschiedene Identitäten, schrieb unter Pseudonymen und rechtfertigte die mit den Sätzen: „Wer glaubt in Deutschland einem politischen Schriftsteller Humor? Dem Satiriker Ernst? Humor diskreditiert.“
Nach dem ersten großen Krieg des vergangenen Jahrhunderts – ein weiteres Beispiel zu benennen – wird 1919 das Kabarett Schall und Rauch wieder gegründet, im Souterrain des Großen Schauspielhauses in der Berliner Friedrichstraße. Die Masken sind von John Heartfield. Die Figurinen von Georges Grosz. Walter Mehring und Kurt Tucholsky trinken sich durch die Nächte, rauchen schreiben die Texte. Max Reinhardt inszeniert.
Mit Mehrings Orestie-Travestie und den Kabarett-Texten von Tucholsky für Paul Graetz wird das Schall und Rauch eröffnet. Tucholsky schreibt Chansons und hat auch in diesem Genre Erfolg. 1920 wird die erste Schellack-Schallplatte mit seinen Texten produziert. Paul Graetz singt sie.
Tod im Exil
Wiederum kann auch bei diesem zweiten Beispiel nur bruchstückhaft auf die genauen und einfühlsamen Beschreibungen Hosfelds eingegangen werden. Daher geht es mit einem kurzen Sprung noch nach Paris in dem Teil „Deutschland von außen“. Tucholsky schreibt für die Zeitschrift Weltbühne aus der französischen Hauptstadt, in der er seit April 1924 lebt. Er setzt sich in seinen Berichten und Artikeln für eine französisch-deutsche Verständigung ein, fünf Jahren nach der Niederlage Deutschlands am Ende des Ersten Weltkriegs. Erfolg hat er mit seinen Bemühungen keinen.
Zum Schluss: Tucholsky ist sehr erfolgreich bis zur Wirtschaftskrise am Ende der 20er Jahre. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verstummt er. Krank lebt er im schwedischen Exil. Stirbt dort. Da ist Rolf Hosfeld ein sehr gutes Schlusskapitel gelungen. Beeindruckt legt man sein Buch aus der Hand. Am Ende er 45 Lebensjahre von Kurt Tucholsky, dem Mann, der Mal gesagt hat: „Man muss draußen stehen, man darf nicht dazu gehören.“
Rolf Hosfeld: „Tucholsky. Ein deutsches Leben“ Biographie, Siedler Verlag, München 2012, 320 Seiten, 21,99 Euro, ISBN 978-3-88680-974-5
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).